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Stegmann, Carl von; Geymüller, Heinrich von; Stegmann, Carl von [Hrsg.]; Geymüller, Heinrich von [Hrsg.]
Die Architektur der Renaissance in Toscana: dargestellt in den hervorragendsten Kirchen, Palästen, Villen und Monumenten nach den Aufnahmen der Gesellschaft San Giorgio in Florenz; nach Meistern und Gegenständen geordnet (Band 7): Raffaelo, Antonio da Sangallo der Jüngere, Baccio d'Agnolo, Rovezzano, Giuliano di Baccio d'Agnolo, Bandinelli, Peruzzi, Vignola, Folfi — München: Verlagsanstalt F. Bruckmann A.-G., 1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.55573#0044
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MICHELAGNOLO BUONARROTI

Architrav der grossen Ordnung an letzteren anschliesst. Jeden-
falls ist eine in gleicher Höhe durchgehende Fassade angedeutet.
Ein Giebel vor dem Mittelschiff, wie im Modell der Fassade für
S. Lorenzo, wird sich aus dem oberen Gebälk entwickelt haben.
Vor dem Seitenschiffe links ist nichts angegeben. —
So viel mir bekannt, berichtet kein Autor von einer Studie
dieser Frage seitens Michelangelos. Sie ist wohl in die Zeit der
Arbeiten für die Fassade von S. Lorenzo zu setzen und wie dort
ist der Einfluss der Entwürfe Bramantes für St. Peter zu erkennen.
Michelangelo ist sichtlich bemüht, mit Hilfe der grossen Ordnung
die stets ungünstige Wirkung einer Stütze, statt einer Öffnung
in der Mittelaxe eines Gebäudes dadurch zu überwinden, dass
er sie sozusagen als Teilungspfosten einer fast die Breite des
Mittelschiffs einnehmenden Thür gestaltet. Es dürfte schwer
sein, diese 1486 so bestrittene Frage glücklicher zu lösen. Wir
stehen vor einer der besten architektonischen Ideen des Meisters.
Studie für das äussere gesims der Flo-
rentiner DOMKUPPEL Im Leben Baccio d’ Agnolos
spricht Vasari von einem Modell Michelangelos für das Gesims
des Domes. Im Museo Buonarroti, Rahmen 18, Nr. 50, ist eine
flüchtige Skizze Michelangelos für dieses Gesims zu sehen. Die
Ecken des Tambours sind durch gebrochene breite korinthisierende
Pilaster mit verkröpftem Gebälk gegliedert. Darüber eine Attika,
durch deren ebenso viel wie die Pilaster vortretenden Ecken die
Verbindungsthür des Umganges auf dem Gesims führt. Eine
Figur oder Kandelaber bekrönt den Eckpfeiler der Attika und
dahinter beginnt die Rippe der Kuppel. An der Achteckseite des
Tambours sind zwei konzentrische Kreislinien, vermutlich die
Rundfenster, angedeutet. Michelangelo suchte einfachere Formen
als die begonnene Arkatur B. d’ Agnolos zeigt.
KlRCHENTHÜREN IN FLORENZ In Florenz werden
drei von Vasari nicht erwähnte Kirchenthüren Michelangelo zu-
geschrieben. Auch wenn diese Ansicht richtig, so vergrössern
sie nicht den Ruhm des Meisters und lehren kaum neues über
seinen Stil. Ruggieri hat sie abgebildet.
Die erste ist die von S. Appollonia. Die älteste mir be-
kannte Angabe der Autorschaft Michelangelos, ist von 1616 ’).
Die zweite ist die Mittelthür der Cappella di S. Maria della Neve.
Ihr Sturz wird von Fries, Gesims und Spitzgiebel bekrönt.
Erstere, seitwärts aber zurückliegend verlängert, ruhen auf joni-
schen Halbsäulen. Die dritte ist die Seitenthür der Kirche Gesü
Pellegrino, mit einem Segmentgiebel. Das Gesims, über den
Ohren der Umrahmung verkröpft, geht nicht durch.
Villen. Die in der Umgegend von Florenz Michelangelo
zugeschriebenen Villen Bombicci, Liccioli alla Rufina, Aloisi und
Mazzei bei S. Casciano wurden im Teil über die Villen besprochen.

Andere NACHRICHTEN Aus seiner Florentiner
Periode sind noch zwei Nachrichten zu erwähnen2). Durch Brief
vom 2. Juli 1522 wird Michelangelo nach Bologna eingeladen, um
sein Gutachten über die Entwürfe für die Fassade von S. Petronio
zu geben. Man weiss nicht, ob er der Einladung folgte. Vasari
schreibt ferner, er habe 1529 in Venedig auf Bitten des Dogen
Gritti eine Zeichnung für die Rialtobrücke angefertigt3).
Vermutlich aus derselben Zeit der Belagerung von Florenz
stammen die Zeichnungen im Museo Buonarroti mit hochinter-
essanten verschiedenartigsten Anlagen von Kanonenscharten.

BLICK AUF DIE ARCHITEKTONISCHE
THÄTIGKEIT MICHELANGELOS IN ROM.


LS Ausdruck der frühesten architektonischen Ideale

Michelangelos haben wir zwei seiner Hauptwerke:

das Juliusgrabmal und die Decke der Sistina.

Eine

dritte, rein architektonische Quelle liefern die Studien eines Rund-
baues, um als Mausoleum das Grabmal Julius II. aufzunehmen.

Das GRABDENKMAL JULIUS II Über Michel-
angelos ersten Entwurf besitzt man folgende Angaben. Es
bildete ein freiliegendes rechteckiges Mausoleum, zwölf Braccia
breit, 18 tief. In der Mitte von jeder Seite war eine Thür, das
zur ovalen Grabkammer für den Sarkophag des Papstes führen
sollte. Oben, auf dem Mausoleum sassen, an den Ecken wohl
in diagonaler Stellung, vier fünf Braccia hohe Kolossalfiguren:
die allegorischen Figuren der Vita attiva und der Vita
contemplativa, ferner die Statuen des Paulus und des Moses.
Letztere allein gelangte zur Ausführung. Hinter diesen, auf einem
Sockel mit Fries von Bronzereliefs, die Figuren des Himmels
und der Cibele, die Bahre auf ihren Schultern tragend. Der
Aufbau von 42 Statuen4) und 16 Hermen aus Marmor war von
Bronzefriesen, ferner von Arabeskenwerk an allen Flächen begleitet.
Acht Statuen wurden in Rom begonnen, darunter die zwei
Sklaven im Louvre; die übrigen sechs sind am jetzigen Grab-
mal angeordnet. Von den fünf in Florenz begonnenen Statuen
sind vier Sklaven in der Boboli-Grotte eingemauert, die Victoria
mit Gefangenem ist im Museo Nazionale zu Florenz.
In dem kleinen Holzmodell des zweiten Vertrags (6. Mai
1513) ist die Grabkammer aufgegeben; statt deren Thüren kommen
Reliefs aus Marmor oder Bronze. Die hintere Seite stösst an die
Mauer, an welcher über dem Mausoleum sich als Wandarchitektur
eine »Cappelletta« von 35 pal. (7,819 m) Höhe mit fünf Figuren
von mehr als doppelter Lebensgrösse aufbaut.
Wegen dieser hohen Wandkapelle, und der grösseren An-
zahl Figuren über Lebensgrösse, konnte Michelangelo diese Kom-

1) In dem Album architektonischer Studien eines französischen Archi-
tekten, der die meisten Blätter mit seinem Monogramm DEV. und dem Datum
1615 und 1616 versah, welches ich öfters in der Sammlung Destailleur in Paris
sah, war Fol. 16 die Zeichnung dieser Thür vorhanden, mit der Angabe: Porta
di SU Appolonia Monasterio In fiorenza di Michael Angello
1616 DEV. Siehe über dies Album meine Baukunst der Renaissance in Frank-
reich, Stuttgart, 1898, I, S. 309.

2) Für die Angabe, dass im Dom von Pisa der Altar der Tre Santi, von
Stagi, nach einer Zeichnung Michelangelos gemacht sei, habe ich keinerlei Be-
stätigung.
3) Vita di Michelangelo, VII, S. 199.
4) Auf dem Mausoleum sollten sechzehn Gefangene vor den Hermen,
acht Statuen in den Nischen stehen. Auf demselben kamen sechs Kolossalfiguren
und zwölf Putten.

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