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Instytut Historii Sztuki <Posen> [Editor]
Artium Quaestiones — 30.2019

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Bredekamp, Horst: Vom Berliner Schloss zum Humboldt Forum: ein Paradigma Deutscher Konfliktgeschichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.52521#0296

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Horst Bredekamp

eine Besonderheit war. Durch die historischen Ereignisse blieb jedoch allein
der als repressiv empfundene Gehalt. Friedrich Wilhelm iy der seine Trup-
pen nach der Massenerschießung aus der Stadt entfernen ließ und sich damit
selbst auslieferte, musste den aufgebahrten Toten die letzte Ehre erweisen.
Mit der Niederschlagung der Revolution von 1848 war das Ansehen des
Schlosses als Sitz der Hohenzollern diskreditiert. Von diesem Moment an,
und hierin liegt die vierte historische Dimension, hatte es seine repräsenta-
tive Funktion für die Hohenzollern auf Jahrzehnte verloren. Es erfüllte seine
Aufgabe als Ort der Ämter und Geldinstitute weiterhin, aber seine ursprüng-
liche Funktion trat für mehr als eine Generation zurück.
5. KAISERREICH UND REVOLUTION
Erst mit der Reichseinigung im Jahr 1871 und der Thronbesteigung Kaiser
Wilhelms II. nahm das Schloss im Gegenzug schließlich jene Funktion an,
die ihm aus späterer Perspektive in Verkennung seiner bis dahin geprägten
Bestimmung für seine gesamte Geschichte zugeschrieben wurde. Als zentra-
ler Ort der des Herrscherhauses der Hohenzollern wurde es zum Symbol ih-
rer unheilvollen Herrschaft.
Als ein Menetekel gilt die sogenannte Kongo-Konferenz, auf der über die
Aufteilung Afrikas in europäische Hoheitssphären entschieden wurde. Diese
Versammlung hätte ebenso in Brüssel, London oder Paris stattfinden können,
und in Berlin wurde sie nicht im Schloss, sondern im Reichskanzlerpalais in
der Wilhelmstraße abgehalten, aber da ihr Abschlussdokument im Schloss be-
siegelt wurde, scheint es bis heute, als hätte es gleichsam als Akteur bei diesen
fatalen Entscheidungen mitgewirkt. Unter Kaiser Wilhelm II. fand jene prekäre
Steigerung seines Pathos statt, die das Schloss für die Militarisierung und die
Stärkung imperialer Ansprüche des deutschen Kaiserreiches gleichsam verant-
wortlich machte. Der Sturz des Kaiserreiches fand folglich mit der Erstürmung
des Berliner Schlosses statt. In einer der paradoxen Wendungen, zu der die
dichterische Phantasie nicht ausreicht, wohl aber die Geschichte selbst, wurde
ein markanter Bauteil des Schlosses zu einer Reliquie der kommunistischen
Idee. Es handelt sich um das Portal iy von dem aus der Führer der Kommuni-
sten, Karl Liebknecht, der Legende zufolge die sozialistische Republik ausrief.
In der Weimarer Republik ging das Schloss vom Jahr 1920 an in seiner Ge-
samtheit in die öffentliche Hand über. Von besonderer Bedeutung war, dass
auch die Universität in diesem Jahr in das Schloss Einzug hielt, um damit
dem psychologischen Institut endlich Räume zur Verfügung stellen zu kön-
nen, die groß genug waren, dass die Berliner Schule der Gestaltpsychologie
 
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