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Verein für Badische Ortsbeschreibung [Editor]
Badenia oder das badische Land und Volk: eine Zeitschr. zur Verbreitung d. histor., topograph. u. statist. Kenntniß d. Großherzogthums ; eine Zeitschrift des Vereines für Badische Ortsbeschreibung — 3.1844

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Eine Wanderung durch die Landschaft Ortenau
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https://doi.org/10.11588/diglit.22585#0294
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275

der gemeine Mann zum blinden Opfer unwissender, eigennütziger, bar-
barischer Amtleute? All' diese Uebelstände hatten schon frühe in der
bürgerlichen Gesellschaft angefetzt; aber zur traurigen Reife gediehen
sie erst, als die öffentlichen Volksgerichte sich in verschlossene Amts-
gerichte verwandelten.
Darum knüpft sich an den langen Stein, welcher nur noch der
Gegenstand thiengen'scher Ammenmährchen ist, für den Geschichtskun-
digen eine große und schöne Erinnerung. Eine lange Reihe von Jahr-
hunderten bezeichnete er einen der Versammlungsorte, der Mahlstätten
des kletgauischen Gau- und Landgerichts. Was wir gegen-
wärtig mit so dringendem Verlangen, mit so mühevoller Anstrengung
zu erstreben suchen, die Oeffentlichkeit und Mündlichkeit des Gerichts
— euere Vorältern, ihr biedern Kletgauer, sie besaßen es als ein
wohlhergebrachtes Volks- und Landesrecht, und übten es aus auf der
Wiese am langen Stein!
Der alte Herr von Kol er, dieser gelehrteste und würdigste der
ehemaligen schwarzenbergischen Regierungsdirektoren zu Thiengen, hat
die Urkunden und Nachrichten, welche über das kletgauische Landgericht
noch aufgefunden werden konnten, gesammelt und zusammengestellt,
und der fleißige Pfarrer Maier zu Gurtweil nach dieser Sammlung
in seiner „Geschichte des Kletgaues" ein kurzes Bild entworfen, das
ich hier mittheile, um seinen Inhalt alsdanw näher zu erläutern.
„Alle Dinge", sagt er, „von größerer Wichtigkeit, allgemeine
Landesangelegenheiten, bedeutende Verbrechen und dergleichen, gehörten
vor das freie kaiserliche Landgericht, welches auch die gesetzgebende
Gewalt ausübte und Appellationen annahm. Obschon wir weder die
Zeit noch die Umstände vom Entstehen des kletgauischen Landgerich-
tes kennen, so dürfen wir doch auf ein hohes Alter desselben schließen.
Schon im Anfänge des eilften Jahrhunderts wurde ein gewisser
Othram von Weißenburg durch dieses Landgericht in die Acht erklärt.
Als die Grasen von Habsburg-Laufenburg den Kletgau erhalten
und sich den Titel der Landgrafen beigelegt hatten, übertrugen sie die
Versetzung des Gerichts einem Landrichter, welcher mit zwölf Bei-
sitzern dasselbe bildete, und nach ihrem Gutachten über die vorgebrach-
ten Klag- und Streitfälle das Urtheil sprach. Abgehalten wurde es
an verschiedenen Orten des Kletgaues, und so besonders auch am
langen Steine bei Thiengen. Nach altem Herkommen mußte der
Landgraf immer solche Personen zu Beisitzern wählen, welche mit den
betheiligten Parteien ungefähr gleichen Rang hatten. Da sich aber
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