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Verein für Badische Ortsbeschreibung [Editor]
Badenia oder das badische Land und Volk: eine Zeitschr. zur Verbreitung d. histor., topograph. u. statist. Kenntniß d. Großherzogthums ; eine Zeitschrift des Vereines für Badische Ortsbeschreibung — 1.1859

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Bader, Joseph: Eine Fahrt an den Bodensee, 1856
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https://doi.org/10.11588/diglit.42306#0111
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97

von Korinth" waren aber keine Empfehlung an die weibliche
Nachwelt, wie „das Lob der Frauen." Die Damen sind nun
dankbar für dieses Geschenk eines Unsterblichen; sie rücken ihren
neuen Frauenlob an die erste Stelle, und das leichrbegeisterte
Volk der Jünglinge hilft ihnen getreulich?).
„Schiller und Göthe" sagen sie; und daß der Frank-
furter Halbgott sich mit der zweiten Stelle begnügen muß, ist
die Strafe für noch eine andere Sünde. Er hat zu tief in die
Geheimnisse des weiblichen Herzens geblickt und in seinen
Schriften zuviel davon preisgegeben. Denn vielleicht von keinem
Dichter ist die Natur der Töchter Eva's so wahr, so mannig-
faltig und treffend geschildert worden, wie von ihm. Und was
das Heikelste anbelangt, so konnte selbst Schlegel an seiner
Luzinde nicht verräterischer zu Werke geh'n.
Wie ganz anders verhielt sich's in dieser Beziehung bei Schil-
ler! Er kannte die weibliche Natur nur im Allgemeinen; ihr
eigentliches Wesen und tieferes Detail blieb dem großen Dichter-
verborgen. Er malte sich dieselbe nach den eigenen Anschauungen
und Empfindungen aus; seine Frauen und Mädchen haben da-
her wenig innere Wahrheit, wenig Reichthum der Charakteristik.
Es sind meistens Fantasiegebilde, verschönert zu schwärme-
risch edlen Gestalten mit sentimentalem oder heroischem Seelen-
anfluge. Das aber ist es eben, was der Damenwelt so sehr
entspricht rurd schmeichelt.
Unsere Gesellschaft hatte die Dämmerung verplaudert und
war in die Nacht hineingerathen; es mußte endlich aufgebrochen
werden. Man eilte mit behutsamer Kühnheit den Abhang hinab
und trat in scheinbar zufälligen Gruppen den Rückweg an.
Aber von Zeit zu Zeit vereinigte ein angestimmter Gesang die
Zerstreuten wieder und wir Herren ließen uns, in dem kindlichen

7) Schiller und Göthe sind durchaus kosmopolitische Naturen; da sie
aber nach den zwei H auptricht ungen , welche Geist und Wesen der Menschen-
kinder beherrschen (nach der idealen und realen), weit auseinander gehen, so
werden sich die Stimmen über sie niemals vereinigen, namentlich in Deutsch-
land nicht, obwohl es da zur Gewohnheit geworden, beide Dichter, gleich Zwil-
lingsbrüdern, stets neben einander zu nennen.
Badenia, 1858, 7
 
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