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Verein für Badische Ortsbeschreibung [Hrsg.]
Badenia oder das badische Land und Volk: eine Zeitschr. zur Verbreitung d. histor., topograph. u. statist. Kenntniß d. Großherzogthums ; eine Zeitschrift des Vereines für Badische Ortsbeschreibung — 2.1860-1862

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Ein Durlacher Hofpoet und eine schwarzwäldische Dorfdichterin
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https://doi.org/10.11588/diglit.22622#0109
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Mehrere Gedichte beweisen hieses, z. B. hie beiden, welche
das weibliche Geschlecht gegen die Angrisfe des männlichen
in Schutz nehmen, namentlich wegen der Ausdrücke Schlange
und Ripp. Es ist einiges Salz in diesen halb ernst- und halb
scherzhaften Ergüssen. Das eine schließt nnt der Strophe:

Es geschieht schon gar zu lange,

Daß der Mann zum Weibe spricht:

„Geh' hinweg, du salsche Schlange!

Was du sagst, ist lauter Gist."

Dieses muß ich mir verbeten,

Denn der Manu betrügt sich sehr.

Würd' ein Weib die Schlang' zertreten,

Wenn es ihres Gleichen wär'?

Zn einem und dem andern Gedichte aber geißelte Katha-
rrne die Thorheiten und dummen Streiche, welche ihr aus der
Umgegend zu Ohren gelangten, wobei mancherlei Leute etwas
zu schnupfen bekamen. Am unbarmherzigsten jedoch nahm sie
den „neuen Kirchenstifter Ronge" mit, und auch das Fieber
von :I848 preßte der hochbetagten Frau noch einige bitteren
Verse aus.

Die meisten Gedichte und Lieder derBeckin sind ihrer Form
nach für den Gebildeten kaum genießbar, und wer nicht den
Volksgeist des oberen Albgaues versteht, wird felbst ihren Ge-
halt sehr mittelmäßig finden. Es ist aber um die V o lkspoesie
ein eigenes Ding; man muß ihr Bestes gleichsam wie zwischen
den Zeilen lesen.

Das wären der Hofpoet und die Dorfdichterin un-
serer Ueberschrift. Zufällig und iu verschiedener Zeit kamen
ihre Arbeiten in meine Hand; aber die Zusammenstellung
beider Persönlichkeiten ergab sich sogleich. Denn wie weit die-
selben an Zeitalter, Heimat, Bildung und Lebensberuf auch aus-
einander lagen, so bieten fie gleichwohl etwas Gemeinschuft-
liches in ihrem Leben dar, und nicht etwa blos darin, daß sie
 
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