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VII. ABENTEUER , LUNETENS HAUT.

139

VII. ABENTEUER,
LUNETENS HAFT.
Der Zufall führte Iwein wieder in seiner Frauen Land, und zwar
gerade wieder an den Brunnen, wo die Linde mit der Kapelle stund. Ihr
Anblick erinnert ihn an den Verlust des schönen Weibes und seiner Herr-
schaft und erfüllt sein Herz mit so tiefem Weh, daß er ohnmächtig vom
Rosse sinkt und sich dabei mit dem Schwerte verwundet. Der treue Löwe
will sich auch in das Schwert stürzen, als er seinen Herrn bluten sieht;
Iwein hält ihn aber davon zurück und ergeht sich dann in bitteren Kla-
gen über seine unglückliche Lage, in die er durch eigene Schuld gerathen
sei. Sein Jammern erregt bald die Aufmerksamkeit einer in der nahen
Kapelle gefangen sitzenden Dame, und es entspinnt sich zwischen dieser
und ihm eine längere Unterredung. Sie erzählt ihm unter Thränen, wie
sie fälschlich des Verraths bezichtigt worden sei. Auf ihr Anstiften habe
ihre Gebieterin vor Jahr und Tag einen Mann genommen und sei von
diesem bald wieder verlassen worden. Darum sei sie jetzt in Haft und
solle morgen sterben, wenn sich niemand finde, der für sie kämpfen wolle.
Auf Beistand sei jedoch nicht zu rechnen, denn es gelte einen Kampf, in
dem einer gegen drei stehen müsse; sie kenne nur zwei Ritter, die solches
vermöchten, und diese seien leider von ihr nicht zu finden gewesen. Auf
Iwein’s Befragen muß sie nun ausführlicher berichten. Der Truchseß
und seine zwei Brüder seien es besonders, die sie aus Neid des Verrathes
beschuldigt und ihr so lange zugesetzt hätten, bis sie im Zorne sich ver-
messen habe, sie wolle einen Ritter stellen, der es mit den drei kühnsten
des Hofes allein aufnehmen und ihre Unschuld beweisen werde. Sechs
Wochen habe sie Frist gehabt, um Gawein oder Iwein, die sie zu ihren
Kempen erwählt, herbeizuholen; sie seien aber leider nicht daheim ge-
wesen. Iwein gewinnt nun die Überzeugung, daß die Gefangene niemand
anders als Lunete ist, und gibt sich ihr zu erkennen mit dem Versprechen,
daß er des andern Tages für sie kämpfen wolle. Lunete weint vor Freu-
den, daß sie nun ihren Herrn wiedergefunden hat. Inzwischen erfährt
Iwein von ihr, daß Gawein Artus’ Hof verlassen habe, um die geraubte
Gemahlin des Königs zu suchen. Darauf verabschiedet er sich von Lu-
neten, um sich für den bevorstehenden Kampf zu rüsten.

Dö truoc in diu geschiht
(wand’ er’n Versach sich es niht)
vil rehte an siner vrouwen lant,
da er den selben brunnen vant,
von dem im e was geschehen,
als ich in hän verjehen,

3925

3923 vgl. zu 3630—31. — 3925 vil rehte adv., gerades Weges, gerade. —
3928 verjehen stv., ausdrücklich sagen. —
 
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