VI
EINLEITUNG.
Außerdem lässt sich (nach Lachmann, Vorrede zu Wolfram’s
Parzival, S. xix, und Haupt, Vorrede zu den Liedern und
Büchlein Hartmann’s, S. xvm) clarthun, daß das Gedicht be-
reits vor 1203 vollendet war. Das siebente Buch des Parzival
ist nämlich bald nach 1203, das sechste Buch desselben nach
dem Sommer 1204 gedichtet; im fünften aber zeigt Wolfram,
daß er die Erzählung vom Ritter mit dem Löwen bereits
kennen gelernt hatte, indem er (V, 879—886, vgl. auch IX,
95—100) bei Erwähnung der um ihren todten Geliebten trauern-
den, unerschütterlich treuen Sigune einen Seitenblick wirft
auf Luneten, die Vertraute Laudinens, und den Rath, den,
sie ihr (siehe Iwein 1793—1804) nach dem Tode ihres Herrn
ertheilte:
do natzten d’ougen ir (= Sigünen) die wat.
ouch was froun Luneten rät
ninder da bi ir gewesen.
diu riet ir frouwen «lät genesen
disen man, der den iweren sluoc:
er mag ergetzen iuch genuoc.»
Sigune gerte ergetzens niht,
als wip diu man bi wanke siht.
Die Bestimmung der Zeit, in welche die übrigen Ge-
dichte Hartmann’s fallen, ist in der Einleitung des ersten
Theils zum Gegenstände einer ausführlichem Erörterung ge-
macht worden. Ehe noch der zweite Theil ausgegeben war,
erschien von W. Wilmanns über denselben Gegenstand eine
neue Untersuchung in Haupt’s Zeitschrift 14, 144—155, unter
der Überschrift: «Zu Hartmann’s von Aue Liedern und
Büchlein», worin zugleich versucht wird die von mir auf-
gestellten Vermuthungen zu widerlegen. Die von Wilmanns
dort vorgetragenen Ansichten mag ich dem Leser nicht vor-
enthalten; sie lassen sich ungefähr in Folgendem zusammen-
fassen :
Hartmann von Aue stammte wahrscheinlich aus Franken
(S. 150); denn dort hatte er seine Verwandten, von denen
er sich zum Kreuzzuge verabschiedete (vgl. Lied 10 = 2. Aufl.
Kreuzlieder 3). In Schwaben beginnt sein erstes Minneverhält-
niss, zu einer Zeit wo er noch nicht Ritter war; er dient ohne
Erfolg einer vornehmen Dame. Da stirbt sein Herr. Dieß
nöthigt ihn, seinen Aufenthalt, sowie seinen Minnedienst (um
das Jahr 1194) aufzugeben. Im Spätherbst des Jahres 1195,
EINLEITUNG.
Außerdem lässt sich (nach Lachmann, Vorrede zu Wolfram’s
Parzival, S. xix, und Haupt, Vorrede zu den Liedern und
Büchlein Hartmann’s, S. xvm) clarthun, daß das Gedicht be-
reits vor 1203 vollendet war. Das siebente Buch des Parzival
ist nämlich bald nach 1203, das sechste Buch desselben nach
dem Sommer 1204 gedichtet; im fünften aber zeigt Wolfram,
daß er die Erzählung vom Ritter mit dem Löwen bereits
kennen gelernt hatte, indem er (V, 879—886, vgl. auch IX,
95—100) bei Erwähnung der um ihren todten Geliebten trauern-
den, unerschütterlich treuen Sigune einen Seitenblick wirft
auf Luneten, die Vertraute Laudinens, und den Rath, den,
sie ihr (siehe Iwein 1793—1804) nach dem Tode ihres Herrn
ertheilte:
do natzten d’ougen ir (= Sigünen) die wat.
ouch was froun Luneten rät
ninder da bi ir gewesen.
diu riet ir frouwen «lät genesen
disen man, der den iweren sluoc:
er mag ergetzen iuch genuoc.»
Sigune gerte ergetzens niht,
als wip diu man bi wanke siht.
Die Bestimmung der Zeit, in welche die übrigen Ge-
dichte Hartmann’s fallen, ist in der Einleitung des ersten
Theils zum Gegenstände einer ausführlichem Erörterung ge-
macht worden. Ehe noch der zweite Theil ausgegeben war,
erschien von W. Wilmanns über denselben Gegenstand eine
neue Untersuchung in Haupt’s Zeitschrift 14, 144—155, unter
der Überschrift: «Zu Hartmann’s von Aue Liedern und
Büchlein», worin zugleich versucht wird die von mir auf-
gestellten Vermuthungen zu widerlegen. Die von Wilmanns
dort vorgetragenen Ansichten mag ich dem Leser nicht vor-
enthalten; sie lassen sich ungefähr in Folgendem zusammen-
fassen :
Hartmann von Aue stammte wahrscheinlich aus Franken
(S. 150); denn dort hatte er seine Verwandten, von denen
er sich zum Kreuzzuge verabschiedete (vgl. Lied 10 = 2. Aufl.
Kreuzlieder 3). In Schwaben beginnt sein erstes Minneverhält-
niss, zu einer Zeit wo er noch nicht Ritter war; er dient ohne
Erfolg einer vornehmen Dame. Da stirbt sein Herr. Dieß
nöthigt ihn, seinen Aufenthalt, sowie seinen Minnedienst (um
das Jahr 1194) aufzugeben. Im Spätherbst des Jahres 1195,