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Sprache, Stil und Geist.

christlichen Geist zu erfassen. Der Grundgedanke ist die Verantwortlichkeit des Beamten,
ein in der theologischen Literatur des Islam so unendlich oft variiertes Motiv: «Der Hirt ist
verantwortlich für seine Herde».1) Jeder Beamte bis zum Chalifen hinauf ist verantwortlich
für seine Unterorgane. Der Beamte ist verantwortlich für die Gemeinde Gott gegenüber, aber
auch umgekehrt in Vertretung Gottes ihr selbst gegenüber. Der Beamte ist verantwortlich für
die misera contribuens plebs der ahl el-dimma gegenüber der ummat el-muslimin.
Aus der Praxis nur eine Probe, welche die Verantwortlichkeit der höheren Beamten für
die niederen zeigt; einige bei Qorra wiederkehrende Maßnahmen begegnen uns hier; so sagt
Abü Jusuf2): «Ich bin der Ansicht, Du mögest Leute mit moralischen Qualitäten, deren Religion
und Charakterfestigkeit Vertrauen erweckt, ausschicken, nach dem Wandel der Beamten zu
forschen, nach ihrer Tätigkeit in der Provinz, und danach, wie sie den liarag erheben auf
Grund ihrer Instruktion und gemäß der festbestimmten Auflage auf die Harä^zahler. Nach
Kenntnisnahme der Sachlage soll ihnen mit Gewalt genommen werden, was sie über das
Maß hinaus erhoben haben und dazu eine tüchtige Strafe und Züchtigung, daß sie nicht
mehr ihre Vorschrift und die mit jenen geschlossene Abmachung übertreten.»
Ergänzen wir diese Ausführungen durch die allgemeinen Instruktionen, die Abü
Jüsuf 60, 27 — 61, 29 gibt, und fügen wir einzelne Traditionen wie ib. 67, 24; 67, 27; 68, 7;
71, 17; 76, 10 usw. hinzu, so erhalten wir das Beamtenidealbild des Abü Jüsuf.
Das gleiche Verantwortlichkeitsgefühl und die gleichen Maßnahmen begegnen uns
nun in unsren Urkunden. Wenn Qorra zweimal Instruktionen mit ikfini schließt, deutet er
damit an, daß der Vorsteher der Icüra als Christ ihm und nicht der umma verantwortlich
ist. Er macht ihn auch verantwortlich für seine Unterorgane; er hat das Recht und die
Pflicht diese zu strafen (III, 52 ff.), und zwar genau in den Formen, die Abü Jüsuf
vor sch reibt; er verfällt selbst in Strafe, wenn er nicht gegen sie einschreitet (III,
57 ff.). Er soll sich selbst vom freihalten und seine Organe daran verhindern (III, 65 f.);
er soll möglichst viel selbst tun und seine Sache niemand anders an vertrauen (III, 73 f.);
er soll sorgfältig in der Wahl seiner Beamten sein (II, 36 f.); er soll seine Untertanen gerecht
behandeln und das richtige Maß von ihnen nehmen, nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig.
Aber Qorra läßt es nicht bei Instruktionen bewenden; er verlangt, wie es auch Abü
Jüsuf empfiehlt, Reporte; nicht nur darüber fordert er Nachricht, wie viel bei der Erhebung
der gizja eingegangen, sondern ebenso, wie der Sahib dabei zu Werke gegangen ist.3) Qorra
hat also ein Interesse nicht nur an dem Ertrag der Steuer, sondern auch an dem Wohl-
ergehen der Steuerzahler, freilich nicht als Moralist, sondern als Finanzpolitiker. Damit
kommen wir zu einem weiteren Vergleichspunkt, der Motivierung des milden Vorgehens
gegen die Bevölkerung.
Das Verbot der Unterdrückung und Ausbeutung der steuerzahlenden Schutzgenossen
erfolgt durchaus nicht aus Menschlichkeit allein, sondern aus der rationellen Erwägung,
daß durch zu starke und ungeregelte Ausnutzung das fai der Muslime geschädigt, ja ver-
nichtet werden könne. Natürlich spielt auch der moralische Gesichtspunkt mit hinein, aber
der rationelle Gedankengang überwiegt; so sagt Abü Jüsuf 61, 26, nachdem er allerlei un-
gerechte Bedrückungen der Steuerzahler aufgeführt: «Dies alles ist eine Schädigung der

*) Z. B. Abu Jusuf 68, 10: aI_&j
2) Der Text lautet S. 63, 13: lilj Jß
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