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Würdigung des Inhalts.

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Haräffzahler und eine Verminderung des fai, wozu noch das Unmoralische der Handlung
kommt» (maa mä fihi min el-itm).1) Moral und fiskalisches Interesse schreiben das gleiche
vor; der Beamte verletzt also durch unmoralisches Vorgehen das fiskalische Interesse. Dieser
Gedankengang findet sich deutlich in Urkunde III, 66—72, deren Sinn ist: Durch gewalt-
tätiges und ungerechtes Vorgehen machst du das Land zur Wüste; der logische Schluß
«und vernichtest so die Steuerzahler» liegt bei einem Finanzbeamten auf der Hand. Der
moralische Schmuck (el-muhsin muän Z. 75) fehlt auch hier nicht.
Aus dem Gesagten gewinnen wir eine neue Anschauung von dem Geist der omaj-
jadischen Finanzkanzleien sowohl wie vom Stil Abu Jusufs. Letzterer stammt freilich aus
den medmisch-'iräqischen Theologenschulen, ist aber zugleich der Stil der omajjadischen
Diwane. Diese Feststellung eröffnet weite Perspektiven.
Bei dem unleugbaren Gegensatz zwischen der juristischen Theorie und der Ver-
waltungspraxis, wie er überall zutage tritt, lag es nahe, anzunehmen, daß auch die reli-
giöse Sprache der Rechtsbücher sich in den Urkunden nicht wieder finden würde. Die
salbungsvollen Briefe der Literaturdenkmäler, wie sie den ältesten Trägern des Islam überall
in die Feder gelegt werden, schienen wenig zu dem Bilde der gewalttätigen Eroberer zu
passen, das uns anderweitig überliefert ist. Zum mindesten war kaum a priori anzunehmen,
daß so verrufene Statthalter der auch schon verlästerten Omajjaden, wie unser Qorra,
Briefe schreiben würden, die jedem Rechtsgelehrten in Medina Ehre gemacht hätten. So
lernen wir aus dem Stil unsrer Urkunden ein Doppeltes. Einmal, daß in den zahllosen
literarisch überlieferten Briefen Stil und Kolorit gut getroffen, daß sie also tatsächlich schon
dem ersten Jahrhundert und nicht erst einer späteren frömmelnden Zeit angehören können;
zweitens gewinnt aber auch das Omajjadenregiment ein ganz anderes Gesicht, als wie es im
Spiegel abbasidischer Hoftheologen sich ausnimmt. Man wird die jetzt üblichen Anschauungen
von der Verachtung des religiösen Lebens durch die Omajjaden doch gründlich revidieren
müssen. Auch Goldziher sagte mir einmal, man vergäße neuerdings fast immer, daß sich
die Omajjaden doch in erster Linie als Chalifen gefühlt hätten.
Zum Schluß nur noch ein Wort über die Art und Weise, wie der Vorsteher der
Icura von Qorra behandelt wird. Es ist ein Gegenstück zu dem soeben festgestellten religiösen
Geist; denn die Sprache ist durchaus die des muslimischen Herrn gegenüber dem nicht-
muslimischen Untertan (I, 14f., 20f.; II, 39f.; III, 10ff., 18ff., 56ff., 82ff.). Der Ton paßt
zu der üblichen Schlußformel: «Heil über den, welcher der Rechtleitung folgt». Denn diese
Fassung schließt den Nichtmuslim vom Saläm aus und hat fast etwas Provokatorisches
an sich.2)
So sind denn auch unsre Dokumente eine neue Illustration zu der eigentümlichen
Mischung von religiöser Phrase und politischem Egoismus, die dem jungen Islam gegenüber
eine gerechte Beurteilung so sehr erschwert.
5. Würdigung des Inhalts.
Von der äußeren und inneren Form unsrer Urkunden möge uns eine kurze Betrach-
tung der Titulaturen zur Würdigung des Inhalts überführen. Denn diese hängen mit beiden
Gebieten zusammen.
Qorra erscheint in den arabischen Texten ohne Titel; es verstand sich eben von
selbst, daß er der amir war. In den griechischen Übersetzungen führt er durchgehends den
Titel σύμβουλος.3) Wellhausen hat zuerst4) auf den Sprachgebrauch des Theophanes hin-
gewiesen, der den Chalifen anfangs als πρωτοσύμβουλος und seine Genossen als οι σύμβουλοι
b Vgl. ferner ib. 60, 24 2) Besondere auf Muslime angewandt.
jrljAA 3) Nr. V, VI, XXII; Berliner Qorrapapyrus.
und die Tradition 63, 25 ff. 4) Das arabische Reich 86.
 
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