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Porträtierten, meist jedoch, wie es scheint, nicht von Rogier selber gemalt, oft auch uns Heutigen nicht
mehr erhalten. Nur ein Teil der Dargestellten ist noch namensmäßig zu identifizieren.
Die ungefähre zeitliche Reihenfolge dieser Bildnisse ergibt sich, wenn man auf den Wechsel von Haar-
tracht und Mode achtet, der, wenn auch nicht in den Kreisen des Bürgertums, so doch bei den adeligen
Herren der herzoglichen Hofgesellschaft, die Rogier vornehmlich malte, ein vergleichsweise rascher
gewesen zu sein scheint. Im großen gesehen ist ein Geschmackswandel auch darin schon festzustellen, wie
sich Kopf und Gestalt in die Bildfläche ordnen. Es gibt einen Zeitgeschmack für schwere und breite For-
men, wie er vor 1440 zeitweise herrschte, und einen für schmale und leichte. Dieser Zeitgeschmack setzt
sich über die wirkliche Körperlichkeit der Dargestellten durchaus hinweg. Die Malerei des 15. und auch
noch der folgenden Jahrhunderte zeigte den Menschen weniger, wie er war, als wie er, der Zeitmode fol-
gend, gesehen sein wollte. Schon seit der Zeit um 1445, als die Brüsseler Dedikationsminiatur (Abb. 51)
entstand, wollte man am burgundischen Hofe schlank und schmal erscheinen, freilich mit breiten Schul-
tern. Philipp der Gute selber gab dafür das Beispiel.
Unter den Stifterbildnissen Rogiers scheint nur eines einer früheren Zeit anzugehören, das eines älteren,
offenbar nicht höfischen Mannes, das vor geraumer Zeit der Kunsthandlung Colnaghi in London gehörte
wo aber über seinen heutigen Verbleib nichts bekannt ist (Abb. 35). Möglich, daß es sich hier um eine
Arbeit bereits der 1430er Jahre handelt. Gegenüber den nach 1450 entstandenen Bildnissen ist jedenfalls
ein wesentlicher Unterschied festzustellen. Dem frühen Geschmack entspricht es, wenn der sehr plastisch
gewölbte Kopf hier mehr als die Hälfte der Bildbreite und auch der Bildhöhe einnimmt. Die gleichfalls
mächtigen Hände erscheinen in der linken Bildecke, vom unteren Bildrande, bereits überschnitten. Die
Oberfläche des kräftig modellierten Antlitzes zeigt starke Helldunkelgegensätze. Tiefe Schatten sammeln
sich um die Mundpartie und zumal um die Kinnlade und an dem nur kurz aus seinem Kragen hervortre-
tenden Halse. Die spätere Zeit will so dunkle Schatten nicht mehr, sie liebt das klarere Sichabsetzen des
hellen Inkarnates vor den Dunkelheiten des Kostüms und des Hintergrundes. Nun ändern sich auch die
Proportionen. Um gleich ein extremes Gegenbeispiel zu nennen: der schmale und flache Kopf des Phi-
lippe de Croy im Antwerpener Museum (Abb. 99) nimmt nur 3/10 der Bildhöhe und kaum mehr als 1/3
der Bildbreite ein. Der Körper ist von den Ellenbogen der betend erhobenen Arme an aufwärts gezeigt.
Das nach den Forschungen von Hulin de Loo51 1459/60 entstandene Antwerpener Porträt zeigt einen
am herzoglichen Hofe lebenden Hofmann. Die halbkurz geschnittenen Haare hängen wie Fransen fast
bis zu den Augenbrauen herab in die Stirne und bedecken auch vom Ohre den größeren Teil. Die Ärmel
sind mit breiter Öffnung bis nahe an den Ansatz der Finger heran über die Hände gezogen. An ihnen und
um den Hals trägt man nicht mehr die Pelzbesätze, wie sie noch bis kurz zuvor üblich gewesen waren.
Die Kavaliere der fünfzehn Jahre älteren Dedikationsminiatur (Abb. 51) trugen sich anders. Fast überall
breite Pelzbesätze, die Halsausschnitte vorne nicht flach schließend, sondern weiter geöffnet und —besonders
auffällig — das Haar wie eine kurze Kappe geschnitten, so daß die Ohren ganz freihegen. So trägt sein
— offenbar dunkelgefärbtes — Haar auch noch der greisenhafte Rolin des Beauner Altars (Abb. 62). Dann
jedoch, in den zwischen 1450 und 1460 entstandenen Höflingsbildnissen Rogiers werden die Haare über
Stirne und Ohr allmählich länger, die Pelzbesätze schmaler, bis sie ganz verschwinden, die Halsabschlüsse
waagerechter. Die Dunkelheiten des Haares und des Kostüms verdrängen die Helligkeiten des Inkarnats
und auch das Braun oder Mausgrau der Pelzstreifen. Helle und bunte Farben werden, wenigstens auf
diesen Bildnissen, nicht mehr getragen.
Wenn dies die Entwicklung der burgundischen Hoftracht ist, so ordnen sich vor den de Croy die ganz-
figurigen Stifterbildnisse des Petworth-und des Bladelinaltars (Abb. 82,87), dann etwas später das schöne

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