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ADOLF DAUCHERS LETZTE
WERKE
JEAN LOUIS SPONSEL

Die Stellung des Bildhauers Adolf Daucher in der Geschichte der Früh-
renaissance Deutschlands war lange Zeit unterschätzt. Er wurde zu-
meist nur beurteilt nach den in Holz geschnitzten Büsten des Berliner
Kaiser-Friedrich-Museums, die für das Chorgestühl der FuggerschenBegräbnis-
kapelle zu St. Anna zu Augsburg entstanden, denen zwar noch eine tiefere
seelische Charakteristik mangelt, die aber schon eine große Sicherheit porträt-
mäßigen Ausdrucks und eine bisher ungewohnte Routine in der Wiedergabe
alles Stofflichen erkennen lassen. An dem Annaberger Altar, dem einzigen
urkundlich als von ihm geliefert beglaubigten Werke, fanden die in kost-
barem farbigen Steinmaterial eingeführten Formen der italienischen Renais-
sance und ihr dekoratives Beiwerk größere Beachtung und Anerkennung als
sein unruhiger Inhalt mit den noch mittelalterlich anmutenden Büsten des
Stammbaumes Christi. Philipp Maria Halm hat 1920 zuerst darauf hingewiesen1,
wie sehr gegenüber dem Gesamteindruck der Komposition bei der Einzel-
betrachtung insbesondere der alttestamentlichen Könige das Können des
Meisters zutage tritt, wie er statt des stummen Beisammenseins unbelebter
Gestalten hochgesteigerten, dramatisch belebten Ausdruck zu gewinnen wußte
und dabei in der Wiedergabe der Körperformen und aller Einzelheiten einer
reichen Tracht das Höchste darbietet, was mit Hammer, Meißel und Bohrer
aus dem spröden Material herausgeholt werden konnte.
Die hohe Bedeutung Adolf Dauchers wurde von Halm aber erst dadurch ans
Licht gezogen, daß ihm der stilkritische Nachweis gelungen ist, der ge-
samte bildnerische Schmuck der Grabkapelle der Fugger zu Augsburg, des
hervorragendsten monumentalen Ausdruckes des Eindringens der Renaissance-
kunst in Deutschland, bei dem man bisher an verschiedene Künstler, wie
Gregor Erhardt, Loy Hering und den jüngeren Hans Daucher, dachte, sei
das Werk Adolf Dauchers. Das gilt also nicht nur für alle vier mit dem herr-
lichsten Reliefschmuck ausgestatteten Wandfelder der Westseite jener Kapelle,
die Schranken und das Chorgestühl, sondern auch für seinen von dort ent-
fernten Altarschmuck. Dieser Altar war die längste Zeit von einem eigen-
artigen Mißgeschick verfolgt, wir wußten nicht, wie er beschaffen war, man
glaubte an einen Hochaltar und mußte so vergeblich suchen, wo er hin-
gekommen sein könne. Jetzt ist es Halm gelungen, davon zu überzeugen,
daß die Freigruppe einer Beweinung Christi und drei Predellenreliefs in
St. Ulrich, die die Kreuztragung, die Kreuzabnahme und die Vorhölle be-
1 „Jahrbuch der preußischen Kunstsammlungen“ 41 (1920), S. 214 ff., „Studien zur Augsburger Bildnerei der
Frührenaissance“.

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