Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ZWEI NÜRNBERGER TAFEL-
BILDER VOM ENDE DES
14. JAHRHUNDERTS
E. W. BRAUN-TROPPAU
Zu den am häufigsten genannten Werken der älteren deutschen Malerei
gehört das seltsam-anmutige, schon durch seine ikonographisch seltene
Darstellung bemerkenswerte Tafelbild der ehemaligen Sammlung Przi-
bram in Wien. Aber leider ist dasselbe ebensowenig bekannt, wie es immer
wieder in der Literatur angeführt erscheint. In Woltmann-Woermanns „Ge-
schichte der Malerei“ war ein recht unzulänglicher Holzschnitt nach dem-
selben zu finden, der sich zu stilistischen Vergleichen nicht recht eignete,
und eine zweite Abbildung in Burgers „Deutsche Malerei“ (I, S. 176) ist
nichts anderes als eine verkleinerte Wiederholung dieser Reproduktion.
Merkwürdigerweise hat aber dieser Umstand nicht verhindert, daß ver-
schiedene Autoren recht apodiktische Urteile über das Bild gefällt haben, die
nichts weniger als haltbar sind, so daß cs mir im Hinblick auf die große
Wichtigkeit, welche der Tafel in der Entwicklungsgeschichte der deutschen
Malerei zukommt, an der Zeit erscheint, dieselbe in einer guten, nach einer
großen Photographie angefertigten Wiedergabe in Lichtdruck vorzulegen. Ich
verdanke dieselbe der freundschaftlichen Vermittlung des Wiener Sammlers
Karl Mayer, der sie mir von der derzeitigen, ihm verwandten Besitzerin des
Bildes, Frau Ottilie Goldschmidt-Przibram in Brüssel, verschaffte.
Zunächst sei von den Urteilen über das Gemälde berichtet. E. Abraham be-
merkt in seinem Aufsatz1 „Über die Quellen des Stils in der Nürnberger
Malerei um 1400“, daß heute wohl niemand mehr die „Heilige Familie“, wie
er das Bild bezeichnet, für nürnbergisch ansehe, obwohl sie Thode dem Meister
der drei bekannten Altarbilder des Germanischen Museums, darstellend den
Kindermord, die Geißelung Christi und die (ikonographisch so seltene und
deshalb doppelt interessante) Bestattung Mariä, zugeschrieben habe. Gesehen
hat aber Abraham das Bild wohl sicher nicht, er urteilt offenbar nur nach der
Abbildung bei Burger oder Woltmann-Woermann, und seine Diagnose scheint
ganz von dem Urteile Burgers abhängig, daß das Gemälde bisher irrtümlich
der Nürnberger Schule zugeschrieben worden sei, während es in Wahrheit
in den Kreis der böhmischen Bilder gehöre.
Thodes Meinung haben sich Back, Kehrer und Gebhardt vollkommen an-
geschlossen, und sie ist auch, wie wir sehen werden, vollkommen richtig und
1 „Repertorium für Kunstwissenschaft“ XXXVII, 1913, S. 10, Änm. 13.

Belvedere II/5 u. 6

51

i
 
Annotationen