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EIN BILD DES
DOMENICO FIASELLA IN WIEN
WILHELM SU1DA
Zu den bedeutenden italienischen Malern des Seicento, die weiten Kreisen
heute noch fast unbekannt sind, gehört Domenico Fiasella aus Sarzana.
Nach Angabe seines Biographen, des genuesischen Patriziers Raffaele
Soprani1, ist er am 12. August 1589 in Sarzana als Sohn eines Goldschmieds
Giovanni geboren. Da Soprani (geb. 1612, gest. 1672) jüngerer Zeitgenosse
des Fiasella war, ist seinen Angaben über die Lehrjahre des Sarzanesen
bei Giovanni Battista Paggi, den darauf folgenden zehnjährigen Aufenthalt in
Rom, die Etablierung und Heirat in Genua, die nur durch wenige Reisen,
so 1635 nach Mantua, unterbrochene Tätigkeit daselbst durchaus Glauben
zu schenken. Auch berichtet Soprani, daß eine zahlreiche Schülerschar sich
um Fiasella sammelte (so daß wir den Eindruck gewinnen, er habe das Erbe
Paggis [f 1627] übernommen), ferner daß er diesen Schülern vielfach dig
Vollendung seiner Arbeiten überlassen habe, und daß er die letzten Jahre
seines Lebens, das er achtzigjährig am 14. Oktober 1669 beschloß, in größter
Zurückgezogenheit, krank und der künstlerischen Betätigung völlig entzogen
zugebracht habe.
Angaben über die Entstehungszeit hat Soprani nur bei wenigen Werken
Fiasellas beigefügt. Der Alehrzahl nach sind Sopranis, durchgängig Rattis
Angaben über Fiasellas Werke topographisch geordnet. So erscheint es heute
noch schwer, die Wandlungen von Fiasellas Darstellungsweise anzugeben.
Seine persönliche Formensprache prägt sich in dem großen Freskenzyklus
aus der Geschichte der Königin Esther, der nach Sopranis Angabe als erstes
großes Werk des aus Rom zurückgekehrten Künstlers für Giacomo Lomellino
entstand (heute Palast des Korpskommandos), schon recht charakteristisch aus.
Aber nicht monumental dekorative Aufgaben, die im Oeuvre Fiasellas ver-
einzelt bleiben, begründen seinen Ruhm. Das kompositionell mit größter
Sorgfalt abgewogene, ohne Kleinlichkeit weitgehend durchgeführte Einzelbild
für Palast und Kirche wurde Fiasellas Domäne. Er wurde der größte Meister
des genuesischen Altarbildes im 17. Jahrhundert. Zarte Seelenregungen hat
er in reichster Differenzierung darzustellen vermocht, während er dramatischer
Erregtheit und heftigen Bewegungen ausweicht. Schlicht und überzeugend
weiß er Empfindungen darzustellen, seinem Gefühl für Würde verbindet sich
ein seltenes Vermögen, hoheitsvolle Schönheit zu ganz großem Eindrücke
zu gestalten2.
1 Raf. Soprani, „Vite de’ pittori, scultori ed architetti Genovesi“, Genova 1674, zweite Ausgabe mit Anmerkungen
und Fortsetzung von Carlo Giuseppe Ratti, Genua 1768.
- Vgl. W. Suida, „Genua“, Leipzig 1906, S. 175 ff. mit Abb. — B. C. K. in Thieme, „Allgemeines Lexikon der
bildenden Künstler“ XI, 1915.

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