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DIE REMBRANDTZEICHNUNGEN DES BUDAPESTER
MUSEUMS DER SCHÖNEN KÜNSTE
VON OTTO BENESCH

Das Museum der schönen Künste besitzt einen aus der Sammlung Eszterhäzy stammenden
Stock von Rembrandt zugeschriebenen Handzeichnungen. Hofstede de Groot hat 26 davon
in seinen Katalog der Handzeichnungen des Meisters (Haarlem 1906) aufgenommen, die
G. v. Terey 190g insgesamt in einem dem großen Lippmann = de Grootschen Corpus sich
anschließenden Tafelwerk publizierte. Die kritische Forschung hat sich in der Zwischenzeit
weiterentwickelt und sieht sich heute bereits genötigt, aus den erstmaligen Oeuvrezusam-
menstellungen der großen Rembrandtkenner, unbeschadet des Verdienstes ihrer Pionierarbeit,
Ausscheidungen vorzunehmen. Wirklich als Werke Rembrandts dürfen wir heute nur
solche Zeichnungen ansprechen, die sich, unabhängig von allen persönlichen Geschmacks-
kriterien, organisch dem Bilde der zeichnerischen Entwicklung des Meisters einfügen und
durch Zusammenhang mit gesicherten Werken nach allen Seiten gestützt erscheinen1.
Im folgenden seien jene Blätter des Budapester Museums, die wir als sichere Werke Rem-
brandts zu bezeichnen berechtigt sind, einer kurzen Betrachtung unterzogen und ihre ent-
wicklungsgeschichtliche Einordnung in sein Werk versucht. Läßt sich diese Einordnung
überzeugend durchführen, so bedeutet das die Probe auf die Richtigkeit der Bezeichnung.
Als frühestes sei das Studienblatt HdG. 1580 (Abb. 1) an die Spitze gestellt. Es wirkt wie ein
kleiner Notizzettel, auf dem der Meister verschiedene Eindrücke festhielt, wie sie ihm die
graue Welle des Alltags entgegenspülte. Wir sehen da einen blinden Bettler am Straßenrand,
der unter kläglichem Anruf der Vorübergehenden seine Klapper rührt und den Hut zum
Empfang des Almosens hinhält, bewacht von einem Hündchen mit traurig gesenktem Kopf.
Unmittelbar an die Knie dieser Jammergestalt stößt, wie aus der Erde hervorwachsend, die
Halbfigur eines krausköpfigen Scholars, der ganz in das Spitzen seiner Feder vertieft ist;
die Zeichnung ist so blaß und zart, daß man das Werkzeug nicht wahrnimmt, doch man
errät die Tätigkeit des Burschen völlig aus seiner aufmerksamen Haltung, aus dem gespannten
Gesichtsausdruck. Und über ihm tauchen aus dem Raum die Halbfiguren zweier Orientalen
oder Juden empor, die in angelegentlichem Gespräch begriffen sind.
Zwei Zeitpunkte gibt es, zu denen dieses Blättchen entstanden sein kann: die Zeit um 1650
oder kurz nachher und die Zeit um 1657—1638. In diesen Jahren treffen wir im gezeichne-
ten und radierten Werk des Meisters wiederholt die sogenannten »Griffe nnements«, kleine
Blätter, die, scheinbar zusammenhanglos, eine größere oder kleinere Anzahl von Gestalten,
Gestaltfragmenten und Köpfen vereinigen, die wie die Niederschriften flüchtiger Eindrücke
anmuten. Die scheinbare Zusammenhanglosigkeit der »Griffonnements« hat aber nichts zu
1 Die methodischen Grundsätze der kritischen Arbeit habe ich in dein Aufsatz »Rembrandts zeichnerische Ent-
wicklung«, Österr. Rundschau, Bd. 19, S. 993 ff- dargelegt.
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