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Benndorf, Otto
Die Metopen von Selinunt: mit Untersuchungen über die Geschichte, die Topographie und die Tempel von Selinunt — Berlin, 1873

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https://doi.org/10.11588/diglit.1109#0007
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1

Der westliche Theil der Südküste Siciliens von Marsala bis Sciacca trägt mehr oder weniger
den Charakter einer Ebene. Vom Meere an sanft und gleichmässig ansteigend erhebt sie sich
einige Meilen weit in das Land hinein und bildet den breiten Fuss eines Höhenzuges, welcher in
gerader Richtung von Nordwest nach Südost den Gebirgsstock des Innern abschliesst und bei Trapani
mit dem einsam emporragenden Monte S. Giuliano, dem Eryx der Alten, bei Sciacca mit dem
steil abfallenden S. Calogero dicht an das Meer stösst. Mit Ausnahme bedeutender Sandflächen
zwischen Marsala und Trapani, welche zu Gewinnung von Meersalz benutzt werden, sind die Kalk-
ablagerungen, welche das Grundgestein der Gegend bilden, allenthalben mit gips- und sandhaltigem
Erdreich bedeckt, welches zahlreiche Gewässer befruchten, die durch schmale Felsenrinnen und
seichte Thalmulden in raschem wechselndem Laufe das Meer suchen und nur zum Theil in den
heissesten Sommermonaten versiechen. Fast die ganze von der Natur freigebig mit ihrem besten
Segen ausgestattete Gegend ist reich bebaut, und die Bevölkerung ansehnlicher Städte lebt von der
Ergiebigkeit des Bodens. Mit besonderm Erfolg wird überall der Wein gezogen, der den Namen
von Marsala, wo er für den Export zubereitet wird, berühmt gemacht hat. Weithin um die Städte
dehnen sich wohlgeptlegte mit Hecken eingefriedigte Gärten aus und wechseln ab mit hochbestan-
denen Korn- und Maisfeldern, mit Reis- und Baumwollenpflanzungen, mit grossen Anlagen von
Orangen- und Mandelbäumen, von Oel- und Eichenwäldern. Selbst die Stellen, welche die Boden-
cultur nicht erreicht oder verschmäht, sind von einer bunten blühenden Vegetation, in welcher die
Cactusfeige vorherrscht, Uberwuchert.

Der Güte und Mannigfaltigkeit der Bodenerzeugnisse verdankt das Land offenbar seine frühe
Colonisation. Selinunt, die erste griechische Pflanzstadt im Westen Siciliens, ist dicht am Meer,
ungefähr halbwegs zwischen Mazzara und Sciacca, in der Tiefe einer flachen Meeresbucht gelegen,
welche westlich mit Cap Granitola, östlich mit Cap S. Marco abschliesst. Zwei stattliche Flüsse,1)
welche in gleicher Richtung aus dem Gebirg herabkommen, begränzen das Gebiet der Stadt, dicht
im Westen der Madiuni, der antike Selinus, an dessen Ufern noch jetzt der Eppich (asXtvov) in
Menge gedeiht, etwas entfernter im Osten der Beiice oder Hypsas, der als Flussgott häufig auf
selinuntischen Münzen erscheint. Ihre Thäler umgürten eine nur wenig erhobene Ebene, welche
in geringem stetigem Fall nach der See zu sich abflacht und zwischen ihren Mündungen hufeisen-
förmig in zwei flache formlose Hügelrücken ausläuft. Diese letzteren tragen die Ruinen von Selinunt.
Es sind die gewaltigen Ueberreste von sieben dorischen Tempeln, welche als Wahrzeichen der
Gegend weithin sichtbar, von der einstigen Grösse der Stadt zeugen.

') A. Holm Beiträge zur Berichtigung der Karte des alten Siciliens (Lübeck 1866) p. 15.
 
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