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Benndorf, Otto
Die Metopen von Selinunt: mit Untersuchungen über die Geschichte, die Topographie und die Tempel von Selinunt — Berlin, 1873

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https://doi.org/10.11588/diglit.1109#0023
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19

XI 4-}, welcher vermuthlich dem Cultusbilde angehörte. Ausserhalb des Gebäudes wurde eine grosse
Zahl firniss- und ornamentloser Lampen aus später Zeit zur Seite der mittleren Eingangstreppe, und
vor derselben in der Achse des Tempels eine Cisterne gefunden, welche vielleicht wie ähnliche
Behältnisse am Parthenon, zur Ableitung des Regenwassers diente.1) Ausserdem kamen an ver-
schiedenen Stellen des Tempels und seiner Umgebung einige unbedeutendere Sculpturfragmente zum
Vorschein, welche theils von den Metopen herrühren, theils aus römischer oder mittelalterlicher Zeit
stammen und von der späten Benutzung des Tempels Zeugniss ablegen.2)

Die Ausgrabungen im Tempel G beschränkten sich auf die Cella und verbreiteten neues
Licht über die architectonische Eintheilung derselben (Tafel XIII ä). Sie führten zur Entdeckung
einer altdorischen Inschrift, welche zum ersten Male über die Hauptgottheiten der Stadt und über
den Namen des Tempels Auskunft giebt, bestätigten durch eine Menge vorgefundener Vasenscherben,
dass wie anderwärts3) so auch hier Thongefässe zur Weihung oder zu Cultusdiensten gebraucht
worden waren, und lieferten den vielversprechenden Beweis, dass unter den Trümmermassen dieses
grössten Tempels werthvolle Sculpturen ihrer Wiedererstehung harren. Das wichtigste Fundstück
der letzteren Art, im Innern der Cella an der Schwelle des Eingangs zur Cultusstatue entdeckt, ist
das Obertheil einer unbekleideten männlichen Figur, welches in entwickeltem archaischen Stil aus
demselben feinkörnigen Kalktuf wie die Metopenreliefs gearbeitet ist. Nach einer von Cavallari4)
mitgetheilten Photographie, welche der folgenden Vignette zu Grunde liegt, lässt sich nicht hin-
reichend darüber urtheilen. Die erhaltenen Theile zeigen aber mit Sicherheit an, dass die Figur
in ungewöhnlich lebhafter Bewegung, vielleicht im Zusammenbrechen dargestellt war. Darauf deutet
der heftig vorgestreckte Hals, der wahrscheinlich aufgestützte linke und erhobene rechte Arm,
die gekrümmte Brust und der mit schmerzlichem Ausdruck weit geöffnete Mund. Ohne Zweifel
gehörte das Bruchstück einer in grossen Verhältnissen ausgeführten Gruppe an, in welcher A. Holm
einen Gigantenkampf vermuthet. Erwünscht wäre eine Auskunft, ob es nicht einer verschleuderten
Giebelstatue angehört haben könnte. Zugleich und an der nämlichen Stelle sind eine Menge Dach-
ziegel gefunden worden, welche vom Opaion herrühren sollen.

') C. Böt t ic Iie r Bericht über die Untersuchungen auf
der Akropolis zu Athen p. 79 folg.

2) Mit Ausnahme der unten naher zu verzeichnenden
Metopenfragmente sind es die folgenden :
aj eine 0m,20 hohe und breite fragmentirte Reliefplatte

aus Terracotta, auf welcher nur der linke Fuss einer

Figur neben dem untern Stück eines Tischbeins sich

erhalten hat;

b) zwei rohgearbeitete 0m, 16 und Om,Ii lange Votiv-
h'ände mit je einem Stück Arm, aus Marmor;

c) fünf kleine 0m. l5 breite Basen aus Tuf, anscheinlich
für Votivgegenst'ande ;

d) einOm,I2 hohes mittelalterliches Hochrelief, ein Kopf

mit Hals en face, an welchem blos Augen, Nase und
Mund, in ahnlicher barbarischer Unbeholfenheit ange-
geben sind, wie an den von Cavallari in Giardini ge-
fundenen Sculpturen (bullett. d. commiss. no. III tav. I
bis VII) ;

e) ein sogenanntes Webstuhlgewicht, 0m,05 hoch und
von oben durchbohrt.

3) Auf der Akropolis von Athen, Bennd o r f griech. u.
sicil. Vasenbilder p. 46; im Heraion zu Argos, Bursian
bullett. d. inst. 1854 p. Ii. I 6 ; im Athenetempel auf Aigina,
Cockerell temples of Jupiter Panhell, and Apollo Epicurius
p. 22 pl. XII (Otto Jahn Europa mit dem Stier Taf. VII) ; in
Adria, Otto Jahn Vasensammlung p. LXXXV, CXXX.

•I; Cavallari bullett. d. commiss. no. IV lav. IV.
 
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