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Benndorf, Otto
Die Metopen von Selinunt: mit Untersuchungen über die Geschichte, die Topographie und die Tempel von Selinunt — Berlin, 1873

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https://doi.org/10.11588/diglit.1109#0041
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37

gemeinsamen Heiligthun] der Polias und des Erechtheus1). Da Athene in Megara sonst nicht ge-
nannt wird, so ist ihr Cultus in Selinunt, als ein Filial von diesem herzuleiten.

lieber Apollon Paian liisst sich leider nichts Näheres ermitteln. Es ist möglich aber uner-
weislich, das der megarische Burggott, dem das Attribut der Lyra eigen war, diesen vielverbreiteten
Namen trug2). Sicher kann in seinem Cultus, wie das hohe Alter desselben und vielleicht die
Anrede des Theognis Ooißs avotE wahrscheinlich macht, der ursprüngliche Zusammenhang der
Apollonverehrung mit dem Sonnendienst, das gewaltige dualistische Naturelement nicht gefehlt haben,
welches den Gott überall bald als den verheerenden und verderbenden, bald als Befreier und Er-
retter erscheinen liess. Derselbe Gegensatz der Eigenschaften findet sich in der Colonie wieder-.
Als den Sender tödtlicher Geschosse stellen ihn die Stadtmünzen dar; und wie bei Homer und
Sophokles3) Apollon als Urheber der Pest durch Paiane versöhnt, Paian angerufen wird, so ist es
auch hier nur die andere Seite seines Wesens, wenn er unter dem gleichen Namen verehrt wird.
In jedem Fall muss er auch in Selinunt als Hauptgott, vorausgesetzt werden. Dem entspricht es
vollkommen, dass das in der ersten Inschrift erwähnte werthvolle Weihgeschenk in einem ihm ge-
hörenden Tempel aufgestellt war. und dass dieser Tempel der weitausgrösste der ganzen Stadt ist4).

Üb zwei benachbarte Tempel der Regel entgegen einen gemeinsamen Altar gehabt haben
können, wage ich bei dem gegenwartigen Stand unserer noch immer überaus lückenhaften Kennt-
niss des griechischen Cultus nicht zu bestimmen. Der Umstand, dass als auu.jjtujj.oi bezeichnete
Götter häufig auch otwccoi5) heissen, schliesst diese Möglichkeit jedesfalls nicht aus. Sollte der Altar
zu den Tempeln C und D gehören, zwischen denen er sich befand, so müsste seine Inschrift für
eine Restauration aus späterer Zeit angesehen werden, da die Gründung beider Tempel weit über
das fünfte Jahrhundert zurückreicht. Der Umstand, dass Athene ohne Beinamen angeführt ist,
könnte in der Thal für die Zugehörigkeit sprechen. Aber auch im entgegengesetzten an sich wahr-
scheinlicheren Falle behält die Inschrift Bedeutung für die Bestimmung der Tempel. Denn es kann
unmöglich für Zufall gelten, dass Culte des Apollon und der Athene in Selinunt wie in Megara beide-
male auf der westlichen Akropolis und beidemale in ortlicher Vereinigung auftreten. Sind auch die
Rücksichten, welche bei Verpflanzung von Gilten beobachtet wurden, namentlich im Unterschied
von italischer Sitte, noch lange nicht in genügender Klarheit festgestellt, so ist doch durch viel-
fache Zeugnisse so viel erwiesen, dass man mit einer religiösen Gewissenhaftigkeit dabei verfuhr,
welche an den neuen Orten Uberall Verwandtes, möglichst gleiche Bedingungen und Verhältnisse
aufsuchte, dass man nicht blos Cultusbilder, Cultusgebräuche und sogar die Form der Tempel über-
trug, sondern Localitaten für dieselben wählte, welche den alten entsprachen oder in irgend einer,
mitunter sehr äusserlichen Weise an sie erinnerten6).

1) Pausanias I 42, 4 cpxo56|i.7]Tai ok stt! ■qj xopua^
tv); äxpo-ÖAsu); vaö; Aibjvac, ä-faAu.a 8s Iotiv STrfypuaov
ttayv ysipcuv mal axpu)v ttoSujv " raü-a ok mal to -p6;ojTrov
sauv sXetpavTo? . mal etspov svTciüSIa ispöv Atbjva? tletoit)-
t<xi xaXoufiivn)? Nixt)?, xal aÄXo AiavTtooc. Vergl. Kekule
die Balustrade des Tempels der Athena-Nike p. 9.

2) Panofka Heilgottheiten p. 5 folg., Welcker
griech. Götterlehre II p. 272 folg., K. Keil Philologus 23
p. 2 44. — Eine Marburger Gemme zeigt neben einem be-
kränzten Apollonkopf einen Zweig, einen Schwan und die
Aufschrift nAIAN, Creuzer zur Gemmenkunde Tat'. 5, 3 I.

3) Homer Ilias I 472, Sophocles Oedip. R. 5, \ 54.
1 Ein Orakel des selinuntischen Apollon erwähnt

Strabon X p. 445 C bei Orobiä auf Euboea. Kruse

Hellas I p. 5 09 bringt dasselbe mit Selinus in Aegialea in
Verbindung. Vergl. Baumeister topograph. Skizze der
Insel Euböa p. 20, 63.

») z. B. C. I. G. II no. 2230, 7, III no. 4042, I.
Vergl. K. F. Hermann gottesdienstl. Alterthümer § 19, 2t.

6) Besonders lehrreich ist in dieser Hinsicht die Grün-
dung eines Filialtempels der ephesischen Artemis, welche
Xenophon in Skillus bei Olympia vollzog (Xenophon Anab.
V 3, 4—13, Diog. Laert. II 6, 52, Strabo VIII 387
XIV 642, Paus. V 6, 6). Wie ausdrücklich geschildert
wird, war die Wahl des Orts durch den Umstand bedingt,
dass sich bei Skillus, wie bei dem Artemision in Ephesos,
ein Fluss Selinus befand, welcher hier, wie dort, Fische und
Muscheln enthielt; der Tempel war eine verkleinerte Nach-
 
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