Zen^ralorgan des IlÄD-64üden^enbündes
^ahrgang4 Nünchen, 10. Iuni 193- NuryNier 24
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Knospsn (^usn. !»!cl,el)
tt. Diese Frage richten wir nicht alz
Umlauf an Naturschutzvereine und Schreber-
gärteninhaber, sondern an alle Leute mit
gesundem Menschenverstand. Da aber kaum
jemand vermuten wird, datz hiermit ein reli-
giöser Fragenkomplex angeschnitten ist, gestatten
wir uns, die Antwort laut cigenen Jnformatio-
nen selbst beizufügen.
Cing da jn Wuppertal ein biederer Pastor
O. Humburg (wir bitten peinlich auf das r
vor dem g zu achtenis hin und schrieb eine
Predigt. Das tun Pastoren häufig, manche jeden
Samstagabend. Vesagter Seelenhirt abek lietz
seine am 3. Mai 1936 in der Eemarker Kirche
zu Wuppertal-Barmen gemachten pastoralen
Ausführungen in Druck gehen.
Das achtseitige Traktätchen liegt uns vor.
Eine flcitzige Ärbeitü Leider aber auch eine
Anhäufung von törichten Formulierungen. Der
Herr Pastor hat sich nämlich irgendwie mit
Katakombengeist impsen lassen und das Ergeb-
nis sieht so'aus:
. 2n der letztcn Woche wurden, wic
uns die Zeitungen berichteten, hier in Wup-
pertal an mehreren Stellen die Vereidigun-
gen der Jungen und Mädchen der Hitler-Ju-
gcnd vorgenommen. 14jährige Kinder, ja noch
viel jüngcre wurden, wie cs dort heitzt, ,ver-
eidigt', in feierlicher Wcise, eindrucksvoll,
wciheooll, zum Teil bei Fackelschein. Die Kin-
dcr werden es nie vergessen.
Eine Eidesformel, wie es in der Zeitung
heitzt, wurde von ihrem Führer ihnen oor-
gesprochen und von ihnen nachgesprochen, durch
Lie sie gelobten, ,ganz in der Bewegung aus-
zugehen, dcm Fllhrer, dem Rcichsjugendführer
und dcn Unterführern der Hitler-Jugend
Treue zu haltcn und unbedingten Eehorsam
zu leistcn und nie vom FLHrer und der Fahne
abzusallen'. ,Und feierlich kommt es von ihrcn
Lippcn: So wahr mir Cott helse' . . ."
Der Herr Bekenntnispfarrer sind nun matzlos
indigniert, denn nirgends hat die Cazette mit-
geteilt, datz bei dieser Vereidigung der Hitler-
Lugcnd ein Ceistlicher, und sei es auch nur in
der Abwandlung eines „Feldgeistlichen", be-
nötigt worden wäre. Das geht gegen die Berufs-
ehre, und also predigt der hochwürdige Herr
Humburg folgendes:
„. . . Eine solche Massenverpslichtung un-
mllndiger Kindcr aus eine Formel, deren 2n-
halt und Tragweite sie gar nicht übersehen
und verstehen können, die sie aber wieder-
holen mutzten mit Hinzufügung ciner eides-
artiaen Anrufung Gottes ,so wahr mir Eott
helfc', ist eine Herabwürdigung des Eidcs unü
zugleich eine Vergewaltigung der Kinder.
Däs ist Knospenfkevel! Die Eemeinde
des Herrn mutz fordern, datz ihren Kindern
nicht solche Schädigung ihres inneren Men-
schrn widerfährt, wenn man sie zum freudigcn
Einsatz für dcn Führer und das Vaterland
ausgcrufcn hat . . ."
Ein g'spatziger alter Herr!? Jetzt wissen Sie,
liebe Leser, was „Knospenfrevel" ist. Hitlerjun-
gen, die auf den Führer schwören — „Massen-
verpflichtung unmündiger Kinder"? Wie bitke,
Herr Pastor? Haben Sic noch nie ein hilfloses
schreiendes dreitägiges Wickelkind getauft uno
rnit allen Verpflichtungen in die christliche
Eemeinschast aufgenommen?!
Kein Wort gegen die christliche Taufe, aber
dieser Begriff stötzt uns auf, wenn Sie 16jährige
Hitlerjungen, die genau wissen, wie sehr sie
den Führer lieben, urplötzlich als „unmllndigc
Kindcr" hinstellen, indessen dunkelblau gekleidete
Knaben im blühenden Alter von 14 Jahren
konfirmiert werdcn. Gcnllgt das, Hcrr Pastor?
Oh, es ficl ein Reif in der Frllhlingsnacht.
Herr Pastor, mir scheint es, Jhren Rauhreif
können die zarten Knospcn nicht vertragen. Die
tragen sür Sie und Jhre Sache schwerlich
Früchte mehr. Sie sind töricht; denn der gott-
begnadete Führer einer grotzen Nation gilt der
geistig gesunden Jugend immer mehr, als sämt-
'liche kleinen und grotzen Propheten, von
Cemeindepsarrern und Küstern ganz zu schwei-
gen. Doch Pastor Humburg hät noch mehr
Sorgen. So predigte er alsö am 3. Mai 1936:
„... Wir müssen klare Lehrpläne für den
Rcligionsunterricht verlangen, damit man
nicht zwar den Religionsuntcrricht nns läht,
aber ihn füllt, wie cs schon weithin geschicht,
mit heidnischem Jnhalt, mit germanischen Göt-
tergeschichten und anderen gegcn das Christen-
tum gerichteten Lehren . . ."
Oh, diese bösen germanischen Eöttersagen und
Heldengeschichten! Sie sind eine lästige Kon-
kurrenz für Abraham, Jsaak und Jakob, und
solch guter Esau kommt vor Donar ganz ins
Hintertreffen. Also fort mit der deutschen
Überlieferung, damit Jhr Lehrstoff nicht leidet.
Und jetzt sind wir beim Lieblingsthema:
Rosenberg. Den möchte Pastor Humburg
geradezu fressen. Er prcdigt also:
„. . . Und diesem Mann, der sich nicht ge-
nug tun kann, alles, was mit der Offcnba-
rung des Christus Eottes zusammenhängt,
herabzusetzen, der von dem Gott des Alten
Testamentes sagt, er habe die von ihm ge-
schassene Welt siir sehr gut erklärt, ,um dann
der Anstifter von Lug, Betrug und Mordta-
ten zu werden', diesem Mann haben unsere
Kinder in Varmen im Sprechchor zurufen
mllssen: ,Wir wollen Rosenberg sehen'. Die
Eemeinde mutz wissen, was mit ihren Kindern
geschieht ..."
Oh, hätten sie doch gerufen: „Wir wollen unseren
lieben guten Pastor Humburg sehen!" Die Eng-
lein im Himmel hätten jubiliert und besagter
Raum hätte voller Ceigen gehangen. Äber
soooo?! Da bleibt nichts anderes übrig, als
unter die Dünkelmänner zu gehen; denn wer
kann schon „im Schatten der Katakomben"
unterscheiden zwischen schwarz und dunkelblau.
Ja, die Eemeinde mutz es wissen. Es will nur
scheinen, datz die Gemeinde immer kleiner wird:
denn ihr Hirte erinnert sehr an den Elesanten
im Porzellanladen.
Jetzt aber kommt er zum Höhepunkt seiner
Predigt: Zum Thema Abgötterei.
Darüber wörtlich Humburg:
„. . . Ewig ist Gott allein und alles Irdi-
sche ist vergänglich. Heute aber spricht man
von dcm ewigen Deutschland. Vei der Ver-
eidigung der Hitler-Iugcnd in dieser Woche
hat ein Sprechchor von dem .fanatischen Elau-
ben an den Führer' gcredet. Solche Worte
sind Abqötterei, denn sie setzen den FLHrer an
die Stelle Eottes . . ."
Das ist der Neid der besitzlosen Klasse, von
wegen fanatischer Claube! Warum so eifersüch-
tig, Herr Pastor? 2st Ihre werte Cemeinde
nicht mehr fanatisch? Können Sie von älteren
Leuten auch wegen Schlagslutzgefahr nicht mehr
erwarten. Ünd die Iugend, ja das ist eben die
Iugend; und davon, Herr Pastor, haben Sie
keine Ahnung. Es gibt eben Menschen, die sich
sür Adolf Hitler totschlagcn lassen — und
Cemeindemitglieder, die über die Kirchensteucr
schimpfen. Das ist das ganze Problem. Mut,
Herr Pastor! Wagen Sie doch den Konkurrenz-
kampf! Der politische Katholizismus ist da viel
weiter gegangen. Der treibt Fanatismus in
Reinkultur mit Vischöfen und Erzbischöfen.
Sammeln Sie doch die Fanatiker unter Ihrem
Banner. Aber riskieren Sie nicht,
unserenfanatischen Clauben an
unseren Führer anzu.tasten. Sie könn-
ten peinliche ilberraschungen erleben. Cottcs
Wege, Herr Pastor, sind wunderbar, und Sie
sind jetzt auf einem Holzwege.
Doch O. Humburg predigt weiter:
„. . . Von diesem Eeist crfüllt sind die Re-
den, die unsere Kindcr zu hören bekommen,
und es witd erwartet, datz jeder, der zur
Bewcgung gehört, vom Pimpfen an bis zum
Reichsleiter, nicht nur ein Soldat Adols Hit-
lers sei — wer wollte dagegen etwas sa-
gen —, sondern datz er ein Apostel und Pre-
diger des Dritten Reichcs wird . ..
Aha, Sie fürchten unlauteren Wettbewerb von
wegen Predigen. Aber Herr Pastor, wie schwach
schätzen Sie Jhre eigene Weltanschauung ein,
datz' Sie Vesorgnis darum hegen, wenn aus
einem Soldaten cin Apostel und Prediger wird.
Das sind doch überchristliche Begriffe und man
könnte glauben, datz Jhncn in diesem Zusam-
menhange nun das „Dritte Reich" unsympathisch
ist. Von dem haben Sie Lberhaupt lustige Be-
griffe; denn Sie predigen also:
„. . . Der Staat hat sich zu diesen Fragen
bisher noch nie abschliehend klar geäuhert, so
oft auch seine Minister gegenchristliche Rcdcn
gehalten haben_"
Die Herren Minister wcrden sich freuen. Viel-
leicht haben Sie die Cllte, noch deutlicher zu
werden! Sie sind wahrlich ein grotzzügiger
Mann! Sie sind vorsorgend für die Zukunft;
denn sie haltcn von unserem Staat und unserer
Bewegung gleich den Emigranten jenseits der
Crenze nicht allzuviel. Denn Sie predigen:
„. . . Und ob sie unscr Wort jctzt vielleicht
verwersen und nicht achten. Wir wollen es
ihnen mitgeben für die Tage der Not, als
eiserne Ration für die Zeit, da ihnen Men-
schen nichts mehr zu essen geben können, da
die Speise dieser Welt sic anekeln wird, weil
ihr Herz nach Ewigkeit sich sehnt, nach tiefer,
tiefer Ewigkeit . .
Passen Sie nur auf, datz Sie nicht auf halbe
Ration gesetzt werden und datz es Ihre Ce-
meinde nicht ekelt vor der Cemeinheit, die Sie
in Talar und Bäffchen im Cotteshaus von sich
gcben! Und nun wird der Herr Pastor zum
Scher!
.Denn solche Stunden werden kom-
men, da sie ihre eigene Armut und die Hohl-
heit und Leere allcs Jrdischen empfindcn wer-
den . . ."
Das könnte Jhnen so passen! Denn -Lebens-
freude ist der Feind Jhrer Weltanschauung. Des-
halb haben Sie die Frechheit, den Reichsleiter
Dr. Ley wie folgt anzuöden:
.Wie erschiittcrnd arm erscheint es
uns dann, wenn in dem Ausrus zum 1. Mai
„Frcut Euch des Lcbens" der Reichsleiter
der Deutschen Arbeitssront mkt Spott und
Hohn von den törichten Mcnschen spricht, die
die Erde ein Jammertal nennen, die von
ewiger SLndc und Schuld reden, von zerknir-
schender Butze und knechtseliger Enade! . . ."
Ja. da schwimmen die Fclle weg. Solch ein Auf-
rus „Freut Euch des Lebens" zerstört ja die
schönste Sonntagspredigt nach uraltem Rezept.
2l>r Stichwort heitzt „Iammertal" und nicht
„Lebensfreude". Also wird Dr. Ley wie folgt
angcpredigt:
„ . . . Aber die Eemeinde achte darauf:
Mitten in einem Wort, das man beginnt zu
lesen in der inneren Vcrcitschast, es gut zn
sinden, mitzugchcn, kommt wiederum tzicse
Stimme eines jolchen Predigers dcr Chriftus
bckämpsenden und seine Enade verachtenden
Weltanschauung zu Wort..."
Ja, ja, die Stimme eines solchen . . .! Da
schweigt des Pfarrers Höflichkeit voN den
hunderttausend arbeitcnden Menschen, die durch
das Werk dieses Dr. Ley zum erstenmal rechte
Lebensfreude hatten. Hämisch und neidvoll, so
recht unchristlich sieht der Herr Pastor seine
Jammertal-Theorie in Scherben gehen ünd ist
böse, der Cute. Der deutsche Arbeiter und seine
Familie werden es ihm gewitz danken und
doppelt so oft in seine Kirche gehen; denn
einmal Madeira mutz zwanzigmal Iammertal
nach sich ziehen. Da bleibt dem Herrn Pastor
nur noch der starke Claube an die Zukunft. AN
eine wundersame Zeit, die er mit einem er-
staunlichen Weitblick bereits gesichtet hat.
Also kommt Pastor Humburg zum Schlutz:
,,. . . Dann werden wir nicht mehr nur
das Eesunde und Kraftvolle anstaunen, son-
dern auch das Kranke und Elende in dieser
Welt sehen und betreuen und Liebe Lben, da,
wo der Jammer zum Himmel schreit. Dann
werden sich wiedcr junge Miidchen melden
zum Dienst der Barmherziqkeit, dcr jetzt in
Deutschland nicht hoch im Kurs steht. Dpnn
werden junge Männer in den harten Kärnp-
fen des mühseligen Alltags des Lebens sich
bewähren als Kncchte, die aus ihren Herrn
warten . . ."
Ja, das Gesunde und Kraftvollc ist überhaupt
peinlich. Das ist viel weniger kirchengläubig,
als es z. V. die Bresthaften und Altersschwachen
sind. Es ist eben keine Liebe mehr unter den
Menschen, und die Idiotenanstalten drohen ein-
zugehen. Wann kommt die glückliche Zeit, wo
die jungen Mädchen und Fräuen nicht mehr im
BDM. und der NS.-Frauenschaft sind, sondern
alle Weiblichkeit sich zum Diakonissenhäubchen
drängt? Dann sind die Tage der Rosen! Und
wir Männer werden die Nacken beugen und
uns noch die sündhaften Locken abscheren lassen
und werden als gehorsame Knechte warten. Bis
Sie schwarz werden. Herr Pfarrer! Denn es
zeugt ichon von einer reichlich düsteren Cesin-
nung, das ganze Winterhilfswerk grotzzügig zu
übersehen und sich nur noch der sonntäglichen
Kirchenkollekte zu erinnern. Das grotze Liebcs-
werk der Nation, das einzig in der Eeschichte
dasteht, ist „eine Zeit, wo dcr Dienst zur Barm-
herzigkeit nicht hoch im Kurs steht", meint der
Herr Pastor. Wir meinen, den Herrn Pastor
giftet dieser Erfolg des WHW., und niemand
sollte glücklich und zufrieden und satt werden,
denn durch den Pastor Humburg. Schade, datz
die Sonntagspredigten nicht allein satt machen,
und datz nür eine gewisse reaktionäre Schicht
die Robustheit besitzt, von diesem öden Ceschwätz
angeekelt, dem Herrn Pastor den Rücken zu
kehren.
Die junge Ceneration hat keine Veranlassung,
Sie weiter aufzuklären. Denn es steht geschrie-
ben, datz man keinen jungen Wein in alts
Schläuche gietzen soll. Sie sind uns schon zu
brüchig, Herr Pastor!