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Die Bewegung: Zeitung d. dt. Studenten — 4.1936

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Nr. 44 (28. Oktober 1936)
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Münrken.28. Sktober 19S«

/ 44. Zolg« / 4. ^ahrgang

Zen^ralorgan des - ötüLcntcn bündes

k»«fM»n

K.Mfession ist Privatsache! Durchaus! Man
macht'die Tür hinter fich fest zu — und was
man glaubt, geht die Leute da drautzen gar
nichts an. Denken Sie!?

Da kennen Sie gewisse Registratoren nicht.
Für diese Art Menschen ist Lhristentum kein
Elaube, sondern nur eine „Rcligionsgemein-
schaft". llnd diese Eemeinschaften sind gewisser-
matzen gottgewollt, niemand ist sich darüber
klar, seit wann sie da sind. Sie sind! — basta!
Man mutz doch „etwas glauben". Am besten von
Kindheit an.

Wir sind derselben Meinung, dah es sehr nutz-
bringend ist, wenn der ganz junge Mensch in
einen festen Lebenskreis hineinwächst. Aber man
soll ihn deswegen doch nicht dumm machen. Und
man soll den Mut haben, das Vertrauen zu
seiner eigenen Weltanschauung, datz sie absolut
„ko n k u r r e n z f ä h i g" ist.

Wir leben nicht in Jndien, und der Vuddhis-
mus ist bei uns sclten. Das setzt voraus, dah alle
Einheimischen einer christlichen Kirche angehö-
ren. Selbstverständlich! Warum? Nun, es ge-
hört sich s o. Böses Wort, das da sagt, datz
Elaube Formsache wurde. Es gehört sich? Das
ist sozusagen „S e e l e n - K n i g g e".

Das ist ein peinliches Dogma der bürgerlichen
Eesellschaft. Das ist Feigheit schlechthin! Da ist
ein „Vürgertum", das llber den angestammten
Elauben süffisant spöttelt, das aber niemals
Konsequenzen zieht, sondern im Ernstfall „von
nichts weitz", und wenn nötig ein Kreuz schlägt
oder bedeutungsvoll auf die Konfirmationsbibel
zeigt, von deren Jnhalt diese Euten aber rein
gar nichts wissen. Deshalb eben! Es ist Eedan-
kenfaulheit und kein Bekennertum. Das ist muf-
fig und unbrauchbar für die Zukunft. Wenn
ich glaube, dann glaube ich ganz und
stark. Wenn ich aber zweifle, und der Elaube
nur noch eine Formalität ist, dann mutz die
Form zerbrechen und Vindungen gelöst werden,
die unehrlich sind.

Elaube ist Sache des Herzens und
nicht von konfessionellen Komplexen, über die
man nicht mutig hinwegkommen kann. Es ist
beklagenswert, datz viele, viele Kirchensteuer-
zahler ganz llble Heuchler sind, datz sie den e ch-
ten, begeisterten Christen, die ganz in
ihrer, ihnen entsprechenden Religionsgemein-
schaft aufgehen, zumuten, als gleichwer-
tigzugelten. Wir glauben nicht,
datz christliche Kirchen nur Stimmen
zählen, denn dann wäre es um den Elau-
ben bös bestellt. Es wäre ein eklatanter Selbst-
betrug, ein Zahlentaumel, an dem so
jämmerlich die offizielle Demokratie Deutsch-
lands zugrunde ging. Jdeen erfordern Kämp-
fer und keine Mitläufer. Aber Jdeen lyüssen
sein.



In diesen Tagen la-
gen in allen deutschen
Haushaltungen die Per-
sonenstandslisten auf.

Eenau ausfüllen! Das setzte Eewifien-
haftigkeit voraus. Millionen Fragbogen, Millio-
nen Federn trugen die Personalien ein. Nach
bestem Wissen und Eewissen?

Wie oft konnten wir berechtigt zweifeln,
bei einer Spalte, die mit „Konfession"
überschrieben war. Vielenwar diese
Eintragung ein Vekenntnis. Mehr
noch süllten diese Rubrik gedankenlos aus.
Nun, wenn schon. Katholisch, evangelisch (von
mosaischem Elauben ganz abgesehen).

Und dann die vielen, vielen, die bei die-
ser Spalte zögerten. Konfession? Was war
das? Wofür man Steuer bezahlte? Worauf
man getauft war? Jugenderinnerung, die zum
Teil in keinem Verhältnis mehr zum' Heute
stand. Konfefiiön — ein Ding, das leider gleich-

gültig geworden war, ja, lästig. Von dem man
nicht mehr sprach. Und nun soll man die Spalte
„Konfession" ausfüllen. Die Feder zögert. Soll
man ehrlich sein? Was dann? Da ist
die leere Rubrik und lauert dem Federzug ent-
gegen. Man ist doch etwas. Jst etwas? Ent-
schlossen fährt die Feder .Lbers Papier. Evan-
gelisch oder katholisch ist man.

Lüge! Das wissen sie. Aber sie
schreiben esdoch. Nicht aus Uberzeugung,
sondern aus Feigheit, aus richtiger bürgerlicher
Feigheit. Es ist ihnen, als ob ihnen alle Nach-
barn Lber die Schulter guckten, begierig, ab-
wartend. Sie gehen sie im Eeiste durch: den
biederen Bäckermeister, den Kanzleivorsteher,
den Versicherungsbeamten, den Polizei-Jnspek-
tor, den Musiker, den Mechaniker.' Älle, alle —

sie sehen doch so konfefiionell aus. Jndes aber
kaut so mancher von diesen „Konfessionellen"
am Federhalter vor der Rubrik „Konfession". ,
llnd sie sind genau so feig. Und
schreiben.

Wenige nur machen den Strich in die
Spalte und ziehen damit auch wirklich den
Schlutzstrich, bleiben vor sich und ih-.
rem Herrgott ehrlich. Was schert sie -
das Gewisper bigotter Nachbarn und vertalkter
Vorgesetzter. die einzig und allein die Unduld-
samkeit der „christlichen" Kirchen vertreten.
Sie-haben einen Strich gemacht. Was heitzt -
Strich — — die Vorschrift verlangt, „konfes-
sionslos" zu schreiben. Also schreiben sie es.
Und der Himmel fällt nichtein.
^Warum zwingt man doch Leute eigentsich zu
einer falschen Äutzerung, warum degradiert man
!diese ehrlichen und aufrechten Menschen : zu
„Atheisten" und „Dissidenten" und gibt sie ge-
HLssigem Spott von konfessionellen Spietzern,
preis? Warum lätzt man es zu, datz bigotte
alte Weiber mit zahnlosen Mündern hämische
Worte zischeln gegen „Heidenkinder", die doch
von bestem deutschem Blut sind? Hier gilt es,
gleiches Recht zu sordern und hundertprozentig
neben die bestehenden Konfessionen den freien,
eigenen Eottesbegriff zu setzen. Jeder nach sei-
ner Fasson! Eott ist nicht so eng und klein, wie
eine gewisse Priesterschicht es zu behaupten
wagt.

Eewissensfreiheit, meine Her-
ren! Mehr wollen wir nicht. Keyre jeder vor
seiner Türe, und lasse dem andern Volksgenos-'
sen seinen Elauben. Ob Christ oder nicht, ist ^
uns gleich. Nur ehrlich sollman sein.

Wir kämpfen gegen die Verlogenheit der
Scheinbekenntnisse. Fisch oder Fleisch! Das kon-
sessionelle Treibholz mutz fort. Millionen
deutscher M e n s ch en glauben tief
und ernst an Go t t. Sie stehenautzer-
halb derKonfessionen. Sollen sie
heucheln oder in die Rubrik „Konfession" den
Strich machen?

Sie glauben an Eott! Sie sind
keine Atheisten oder Disfidenten!
Sie sind nur ehrlich. Eebt ihnen den
Weg frei und laht nicht von einer
scheinheiligen Vürgerclique von
vorgesterndiese wertvollen Kräfte
diffamieren.

Konfessionslos ist nicht gottlos!
EottgläubigeMenschensordernihr
Re.cht,!

Ver keickssludentenbundskülirer
rum V^interkilkswerk

?iuck in diesem XVlnter kämpfen wlr Studenten ln
vorderster sront gegen ilunger und Kälte. 0er
klatlonalsorlalistlsclte Veutscke Studentenbund wird
getreu seiner Verantwortung und in freudiger krfül-
lung selner VerpMcktung dem deutsckenVolke gegen-
über die gesamten Krakte nationalsorlallstlscken 8tu-
dententums lmXVlnterkIIfswerkrum Llnsatz bringen

^iüncken, den L1. Oktober 1-ZS

/^lbert Verlcksweller
 
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