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Die Bewegung: Zeitung d. dt. Studenten — 4.1936

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Nr. 36 (2. September 1936)
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München, 2. Seppmber 193«

36. Folge / 4. Zahrgang


vrivcaüna

Ien^ralorgan des HÄD-64ü-en^enbün-es

„Sellsmer siis
«lem Hiiegroksil

Also diesmal keine Rothäute und nicht mal
Franziskaner! Denn beides sind ja keine Eeist-
lichen. Die einen sind halt Jndianer und die
andern ... Na, das lehrt der KoblenUr Prozetz!

Diesmal sind es Eeistliche der Bekenntnis-
kirche.

Wir beschäftigen uns nicht gern mit den Män-
nern der Kirche. Der Staat hat ihnen seinen
Schutz zugesagt und sie haben dem Staat den
Treueid geleistet. Aber es gibt Situationen, in
denen man nun schon aus der Reserve heraus-
treten mutz. Zumindest dann, wenn Eeistliche
den Staat und seinc Grundlagcn angreifen,
wenn sie die Autorität ibres Amtes gegen die
Autorität von Volk und Staat stellen, wenn sie
also Menschen, deren Lebensheil sie dienen sol-
len, in Eewissenskonflikte bringen und zu staats-
feindlichen Elementen zu machen suchen und
damit ibren Eid brechen. Dann gibt es für uns
keine Abmachungen und fälsch aufgefatzten Pro-
grammvunkte mehr, sondern nur die eine Pa-
role: nieder mit dem Volksfeind!

Jn Verlin-Dahlem lebt ein Psarrer
Niemöller, der im Kriege und später seine
Pflicht gegen sein Volk erfüllt hat. Deshalb
haben wir ihn bisher nicht angegriffen, obwohl
er im Rahmen der Bekenntniskirche deren volks-
und staatsseindliche Entwicklung mitgemacht hat.
Aber einmal kommt die Erenze des Er-
träglichen. Wenn cs sich nur darum han-
delte, datz Herr Niemöller auf unser Reich böse
ist, weil es ibm nicht genllgend aus die Ribel bört,
dann mag ihm das unbenommen bleiben, denn
der nationalsozialistische Staat wird an dcr
Feindschaft eincs Pfarrers und seiner Anhän-
gerschaft nicht zerbrcchen. Wenn aber ein Pfar-
rer seine Predigt in erster Linie nicht sür seine
Eemeinde, sondern — wie beispielsweise auch
Herr Humburg — fiir die Öffentlichkeit, also auch
für das Ausland hält, bekommt die Sache ein an-
deres Eesicht. Wir lassen uns die Veschimpsun-
gen unserer Bewegung weder von Herrn
Humburg nochvon Herrn Niemöl-
ler gcfallen, weil sie zur Verunglimpfung un-
scres Reiches im Ausland beitragen. Wir hal-
ten es auch für eines deutschen Mannes und
Eottesdieners unwürdig, unter dem Schutz sei-
nes Amtskleides, das bisher jeder Deutsche ge-
o.chtet und geehrt hat, staatsfeindliche Politik zu
treiben. Wir haben uns das eine ganze Weile
sriedlich angesehen, wenn das aber von man-
chen als Zeichen der Schwäche ausgelegt und
ausgenutzt wird, dann müssen wir auf solche
Anwürfe antworten.

Laut „Durchbruch" vom 9. Juli 1 9 3 6 hat
Herr Niemöller in der Pauluskirche in
Zehlendorf am 21. Juni 1 936 über das
Thema „Eott, der Herr Lber Kirche
und V o l k" gesprochen. Jn dieser Rede hat er
unsere Weltanschauung grundlegend „wider-
legt" und der unsern seine christliche Weltan-
schauung cntgeaengesetzt. — Wir waren bisher
der Ansicht, datz bei uns in Deutschland jeder
nach seiner Fasson selig werden könnte, und datz
die Kirchen, die vom Staat mit den Steuer-
groschen der Volksgenossen erhalten und ge-
fördert werden, dazu da seien, um dem deut-
schen Volke zu dienen. Aber ach! Schon ist der
Herr Pfarrer anderer Meinung. Er stellt fest,
datz die Kirche zur Sekte herabsinken würde,
wonn man es den Menschen überlietze, ob sie ihr
angehören wollen oder nicht. Uns bleibt

der Atem weg! Monatelang haben die
Bekenntnispfarrer gezetert, die Staats-
kirche drohe, und nun verlangen sie s e l b st
staatlichen Zwang. Oder welches Mittel
wollen sie anwenden? Die Hoffnung, mit ihren
Worten allein, ohne weltlichen Zwang nur
durch Werbung neue Elieder ihrer Kirche zu
finden, mützten sie längst aufgegeben haben,
wenn sie die Erfolge der letzten Jahre über-
schauen. Also was nun? Etwa nach römischem
Muster den Vannstrahl? llber den haben
sich, falls unbekannt, die Deutschen schon seit
Iahrhunderten lächelnd hinweggesetzt. ohne
datz ihnen Eott darum böse war, denn der
Bannstrahl ist ja auch nichts weiter als
eine menschliche Laune. Oder wollen
sie vielleicht wieder Scheiterhaufen errichten und
„Ketzer" verbrennen? Na, wir warten in
Ruhe ab. Lebensgefährlich wird's kaum wer-
den! — Aber auch unsere zweite Annahme
ist falsch: die Kirche ist nicht für das Volk da,
sondern das Volk lebt, damit die wahre Kirche
kommt. Na, da sragen wir uns nur erstaunt,
weshalb Eott dann Völker geschaffen hat mit
ihren Eigenarten und nicht eine Menschheit, die
doch schon durch ihre Einheit ihr angeblich
einziges Ziel schneller erreicht hätte. Oder ver-
spricht sich Herr Niemöller mehr von dem Wett-
kampf der Nationen?

Wenn nun schon Religion nicht Privatsache
und die Kirche nicht fürs Volk da ist, dann
sollte man doch wenigstens hoffen dürfen, datz
Kirchen und Volksgemeinschast friedlich mitem-
ander auskommen. Wieder sind wir auf dem
Holzwege! Der Herr Pfarrer meint, datz zun-
schen Volk und Kirche gar kein sriedliches Ver-
hältnis möglich ist, denn der Christ gehorche
Eott und könne deshalb auch nicht um der Liebe
zum Volke willen von der Lehre des Herrn ab-
gehen.

Die Auslegung der „Lehre des Herrn" ist
bekanntlich in Deutschland recht verschreden. Da
fragt sich schon, wer da auslegt und rnwre-
weit er es ehrlich meint oder die ganze Aus-
legung so dreht, wie sie ihm patzt.

Die Kirche ist Menfchenwerk, von Eott in-
spiriert, Gott hat aber auch die Völker ge-
schaffen. Gott hat ihnen sein Wort und seine
Lehre gegeben. Also mutz Eott die christllchen,
das sind die von ihm geschaffenen Völker —
so lehrt jedenfalls die christliche Kirche —
wollen. Trugschlutz, liebe Freunde! Nach Pfar-
rer Niemöller steht Eottes Lehre im Wider-
spruch zur Volksgemeinschaft. Wieder fragen
wir uns erstaunt: Weshalb schuf Eott dann
Völker? Sie sind doch nun einmal vorhanden
seit dem Bestehen des Christentums und schon
lange vor ihm. Sie sind auch von Gott nicht
vernichtet worden. Also mutz doch der Dienst
in diesen Volksgemeinschaften wahrer Eottes-
dienst sein. Das denkt ihr euch so! Herr Nie-
möller behauptet, datz „der Dienst am Volk
dort seine Erenzen findet, wo Eott einschrei-
tet". Das ist nun schwer für uns arme Erden-
bürger festzustellen. Wenn in Berlin ein Volks-
genosse bei rotem Licht Lber die Stratze
läuft, dann „schreitet" der Verkehrspolizist „ein"
und nimmt dem Mann eine Mark ab. Das tut
uns für den betroffenen Volksgenossen leid;
aber warum wartet der Mann auch nicht, bis
das Licht grLn i st. So etwas sehen wir doch
wenigstens. Wann aber schreitet Eott ein?

^.ukii.: DQ§6l, ^liiiiolieii

Pssucio-I?o9isuts

(Sisks vilcibsi-lolit suf Ssits 8 ,,W!Ici<vss1 Im Issrtsl")

Vielleicht kann uns Herr Niemöller darüber
Auskunft geben. Uns scheint dieses Einschrei-
tsn Gottes" nämlich eines der berühmten und
bekannten H'intertürchen zu sein, aus
denen man sich bei Lebensgefahr immer noch
auf anständige Art retten kann.

Wer dem Volke dient, leistet dem Führer des
Volkes den Treueid. Das ist eine Selbstver-
ständlichkeit, die bisher autzer den offiziellen
Lrndesverrätern nur dem Theologen
Barth nicht aufgegangen ist. Weshalb er
auch die Koffer packen mutzte und den Volks-
verrätern ins Ausland nachfolgen durfte. Jeder
junge Deulsche leistet heute den Eid auf Adolf
Hitler als den FLHrer des deutschen Volkes.
Aber auch das patzt Herrn Niemöller nicht. Er
ist dagegen, datz man „ohne Vorbehalt auf einen
Menschen" ein Eid leistet. (Nebenbemerkung:
Weil wir mal einen Hochschullehrer als
„Mensch" und nicht als Persönlichkeit bezeich-
'net hahen, wurde unsere Eruppe früher auf
ein Jahr verboten, Und heute?) Ob Herr Nie-
möller bei dem Eid auf seinen obersten Kriegs-
herrn im Weltkrieg ähnliche Vedenken gehabt
hat? Herr Niemöller bezweifelt
auch, ob man nach Eottes Willen die

Juden hassen darf. Liegt das an der
nachem Verwandtschast zwischen Lhristentum und
Judentum?

2n dreijährigem Kampf und unter schweren
Opsern hat sich das deutsche Volk wieder frei-
gemacht und ist wieder ein arotzes und angesehe-
nes Reich geworden mit Menschen, die voll
Kraft und Selbstbewutztsein in die Zukunft
sehen und voll Elauben und Vertrauen zu ihrem
Fllhrer, dessen Wille und Eenie und Können
ihnen das alles gab, emporschauen. Schon wie-
der eine SLnde! Denn nach HerrN Nie-
möllers Wort steht „die ganze Welt, auch
Adolf Hitler, Rasse und Volkstum. Blut
und Boden unter dem Fluche Eottes". —
Selbst wenn wir dem Herrn Pfarrer zugute
halten wollcn, datz die Ausdrucksweise
eines Eeistlichen im Anklang an die Bibel
etwas geschroben ist und der Vegriff der Worte
sich von dem der 2etztzeit stark unterscheidet: das,
was Herr Niemöller hier sagt, ist eine ziemliche
Unverfrorenheit, auch wenn er einen Vibelspruch
finden sollte, der solchen Anwurf deckt. Herr
Pfarrer! Wir können verstehen und sind nicht
verwundert, datz wir unter dem „Fluch" des
Eottes des Alten Testaments stehen: aber wir
haben geglaubt, datz ein deutscher Eeistlichcr

att»evs ätsssr ««f »pa«-

Vom Sörgenolio rom »Hsrirtroich"
 
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