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Liest l.
Doui rufflsch-stirlüschen kricgsschottplntz.
Vs.
(Siehe die zwei Bilder auf S. 12 u. 13.)
Wir haben im vorigen Jahrgang zahlreiche Bilder voni
Kriegsschauplatz gegeben, denen wir nnn ein weiteres folgen
lassen, welches'die Eriche Donanbrncke veranschaulicht, ans der
die russische Armee am 22. Juni von Braila aus nach der
Dobrndschn überging, und welche jetzt dazu dient, nm die
Verbindung mit dieser Armee aufrecht zu erhalten, ihr Gebend-
mittel und Munition znznsühren und ihr die nöthigen Trnp-
pen-Nachschübe zukommen zu lassen. Unser Bild stellt die
Brücke in dem Momente dar, wo eine größere Truppen-
nbtheilnng, ivet.be die russische Armee in der Dobrudscha ver-
stärken soll, über die Brücke marschirt. Die Erbauung der
letzteren war mit großen Schwierigkeiten verbunden. Etwas
unterhalb der rumänisthen Stadt Braila macht die Donau
eine große Krümmung und hat die Ufer weithin iiberfluthet,
so daß das Wasser bis an die Weinberge hinanreicht, wo die
Batterie steht, die den türkischen Monitor „Lütfi-Dschelil" in
die Lust gesprengt hat. Die hier von den Russen geschlagene
Brücke mußte gegen dreitausend Bieter lang werden und ans
drei verschiedenen Abschnitten bestehen. Der erste Abschnitt
führt durch das Ueberschwennnnngs-Gebiet auf einer soliden
Jochbrücke aus Pfählen mit einer Ltraßenbahn von Bohlen.
An diese stehende Brücke schließt sich eine Floßbrücke an,
welche aus zweiundsechzig einzelnen festverankerten Flößen
besteht und das ganze Fahrwasser der Donau überbrückt
Auf diesen Flößen ruht erst die eigentliche, aus Balken und
quer darüber gelegten Bohlen bestehende Brückenbahn. Die
dritte Sektion auf dein türkischen Ufer ruht auf Böcken und
Jochen im seichten Wasser. Die ganze Brücke von ihrem
Anfang auf dem rumänischen User bis zu ihrem Ende auf
dem türkischen bei dem Dorschen Ghitschet nnd der Einmündnng
des Kanals von Matschiu, wölbt sich etwas konvex gegen
den Strom; beide Enden sind streng bewacht, denn die Brücke
ist für die Kriegsdauer, wie schon vorstehend bemerkt, ein wich-
tiges Kommunikationsnuttel für die Rnssen. — Unser zweites
Bild L). 13 veranschaulicht eine jener entsetzlichen Scenen,
an welchen der dermalige Krieg so reich ist, nämlich die Rück-
kehr eines Haufens Tseherkessen von einer Razzia
auf den« ruinäni s eh en Uf e r. Requisitionen finden natür-
lich in jedem Kriege statt, allein die L-treifereien, welche die
von der Pforte in Dienst genoininenen Tseherkessen und
Basehibozuks unternehmen, sind nur regelrechte Raubzüge und
ost nur um des Plünderns willen veranstaltet. Die Tscher-
kessen sind von Hause aus Räuber und Viehdiebe nnd ver-
stehen sich auf dieses Gewerbe trefflich; sie thnn es an Wild-
heit allen anderen türkischen Truppen zuvor, bezeichnen überall
ihren Weg mit Verwüstung und Vergewaltigung aller Art,
und führen nicht nur alles Vieh hinweg, dessen sie habhaft
werden können, sondern häufig auch Weiber und Kinder, die
sie dann als Sklaven verkaufen, wie sie dies im vorigen
Jahre in Bulgarien und Serbien gethan haben. Die brutale
Horde, welche unser Bild darstellt, hat es diesmal glücklicher-
weise nur auf Vieh abgesehen uud solches aus den rumänischen
Dörfern hinweg getrieben. Hier an der Donau werden nnn
die Rinder und Pferde mit den Arkans oder Wurffchlingen,
die jeder Tsche> kesse am Satteiknopf führt, und mit allen nur
aufzutreibenden Stricken nnd Riemen angekoppelt und in's
Wasser getrieben nnd müssen nun den Kähnen ihrer Räuber
nachschwimmen, wobei jedoch manches Stück, dessen Kräfte
nicht zinn Schwimmen über die ganze Breite der Donau aus-
reichen , ertrinkt. Unser Bild veranschaulicht einen solchen
Viehtransport, der eben vom rumänischen Ufer abgeht.

Die schiefe Ebene bei Elbing.
(Siche das Bild auf S. 16.)
Im Süden des Frischen Haff's und der rührigen Handels-
stadt Elbing liegt zwischen Diemel und Weichsel die ost-
preußische Seenplatte, deren Umgebungen durch den
Neichthum ihier Wälder an Holz und ihrer Ackerprodukie
sich auszeichnen. Um nun diesen Erzeugnissen eine rafche und
wohlseile Abfuhr nach Elbing und anderen Handelsplätzen
zu verschaffen, kam in den fünfziger ^Jahren der königlich
preußische Regierungs- und Banrath Strente ans die Idee,
den Drau ensee und die südwärts davon liegenden, schon durch
den sogenannten Oberländer Kanal verbundenen Seen mit
dem Elbingflnsje durch ein System von Schleusen nnd geneigten
Ebenen zu verbinden, wie solche an dem Morris-Kanal in
Nordamerika längst im Gebrauch sind. Diese schiefen Ebenen
dienen dazu, die Niveau-Unterschiede zwischen den verschiedenen
Theilen des Kanals ohne Lchlcusen nnd ohne Unterbrechung der
Fahrt zu überwinden und die Schiffe über zwischenliegende
Hügelwellen hinweg zu führen. Zu diesem Behufe sind bei
Elbing zwei an einander stoßende schiefe Ebenen mit je zwei
Geleisen angebracht; beide Ebenen begegnen sich in der Mitte
in einer Höhe von etwa sechzig Fuß über dem Wasserspiegel
nnd ihre Scksieuengeleise lausen an den entgegengesetzten Enden
in den betressenden Kanälen noch ein Lckück weit ziemlich tief
unter dem Wasserspiegel forl. Kommt nun eines der kleinen
Schisse, die auf dem schiffbaren Drauseusee uud dessen Kanälen
fahren, an die eine Seite der schiefen Ebene, so wird es ans
einen eigens hiezu erbauten Waggon, welcher auf dem tief
unter Wasser befindlichen Anfang des Schienengeleises steht
und ebenfalls noch einige Fuß vo^i Wasser überfluthet wird,
uni) und dieser* schlitten smmnts seiner* ^nst
mittelst eines, endlosen Drahtseils, welches in der Mitte des
Lehienengeleises über Leiträder läuft, die schiefe Ebene empor-
gezogen, während gleichzeitig ein anderes Schiff ans ähnlichem
Waggon herabgelassen wird. Letzterer ist am anderen Ende
desselben Drahtseils befestigt, welches zum Heranfbefördcrn des
anderen Schisses dient, und das ans dem Gipfel der geneigten
Ebene durch eiue große Leitrolle von dem einen Geleise auf
das andere übertragen wird. Auf dsise Weise Hilst die Last
des herunter gleitenden -LchiffeS das andere herauf ziehen.

Das B ii ch für All e.

Jenseit des Scheitelpunktes wird das Lchiff dann auf der
anderen Seite wieder hinunter gelassen, und eine stehende
Dampfmaschine mit einer großen Seiltrommel regelt diese
Beförderung der Kanalschifse über die drei verschiedenen ge-
neigten Ebenen, welche an diesem Kanalsysteni angebracht sind.
Das Prinzip der schiefen Ebenen nnd Seilbahnen ist früher
auch bei Eisenbahnen, z. B. bei Lüttich in Belgien, in An-
wendung gewesen nnd wird in Grubenbahnen zur Förderung
bergmännischer Produkte ziemlich häufig benützt.

Dos ptstais -es Kaisers in Derlin.
(Liehe das Bild auf Seite 16.)
Von der statnengeschniückten Berliner Schloßbrücke nach
dem Brandenburger Thor schreitend, betritt man, am könig-
lichen Opernhause und an der Bibliothek vorüber kommend,
die prächtige Straße Unter den Linden, in welcher gleich links
das erste Gebäude das anscheinend wenig umfängliche Palais
ist, welches Kaiser Wilhelm I. bewohnt, wenn er in Berlin
residirt. Der einfache, doch stylvolle Van, in den Jahren 1834
bis 1836 von Langhans ansgesührt, verkündigt zumeist durch
die an seinem Flaggenstock aufgezogene Fahne, daß es die
Behausung einer höheren Persönlichkeit ist; allein wenige
Monarchen in Europa dürften eine von außen schmucklosere
Residenz bewohnen, als unser Kaiser, welcher doch eines der
schönsten und mächtigsten Reiche der Welt beherrscht. Gerade
diese vornehme Einfachheit aber gibt der Stätte etwas Edles und
Weihevolles, denn sie repräsentirt das edle, einfache Wesen
des Kaisers selbst, der ein Feind alles leeren Prunkes ist.
Hier an diesem linken Eckfenster des Erdgeschosses ist der
kaiserliche Herr während seiner Anwesenheit in Berlin häufig
zu sehen, meist im nsilitärischen Jnterimsrock, stets beschäftigt
nnd mir seiner schweren Regentenpflicht lebend; uud hier vor
dem schmucklosen, doch geräumigen und sich in seinen Hinteren
Zimmern nnd Sälen bis zur Behrenstraße anSdehnenden
Palais sieht man daher täglich Fremde harrend stehen, sich
den Fürstensitz beschauend nnd auf den Augenblick wartend,
ivo ihnen der Anblick der hochgewachsenen, ritterlichen, impo-
santen Gestalt des greisen Kaisers mit seinem Antlitz voll
Milde und Herzensgüte zu Theil werden mag. Jeder seiner
Unterthanen fühlt sich gehoben, wenn er den Kaiser von An-
gesicht zu Angesicht erschaut hat, nnd jeder will die Abwesen-
heit des Monarch.n benützen, mn die von demselben bewohn-
ten Räume zu besichtigen, deren Ausstattung bei allem Schinnck
von gediegenen Kunstwerken aller Art doch jene maßvolle
Genügsamkeit in Beziehung auf persönliche Bedürfnisse bekun-
det, welche seit Friedrich dem Großen nnd Friedrich Wil-
helm lll. die preußischen Herrscher kennzeichnet.

Das Ghetto und -er alte In-en-Frie-hof in
prng.
(Siche die 2 Bilder nuf Seite 17.)
Der Haß, welcher NN frühen Mittelalter die Bekenner der
mosaischen Religion von Seiten der Christen traf, wurde die
Veranlaisung, daß man die Judengemeinden in den orientalischen
und italienischen Städten zwang, in eigenen Gassen oder Stadt-
vierteln beisammen zu wohn n, wo sie über Nacht abgesperrt
und vielfachen Beschränkungen unterworfen wurden. Ein solches
Quartier nannte man Ghetto, von dein talmndischen Ghet,
Absperrung. Später verbreitete sich der Brauch dieser Ab-
sonderung von Italien ans auch nach Deutschland, Frankreich
und den Niederlanden, und so finden wir in allen größeren
Städten noch ans den Zeiten des Biittelalters solche Juden-
gassen nnd Judenviertel. Eines der interessantesten dieser
Ghetto's oder Judenviertel ist die aus den, rechten Moldau-
ufer liegende Jndenstadt zu Prag, seit 1850 Josephsstadt
genannt. Prag hat eine der ältesten uud zahlreichsten Juden-
gemeinden von Central-Europa, die angeblich schon mehr als
tausend Jahre besteht, und worin noch bis zum Jahre 1848
die 7—8000 ärmeren jüdischen Einwohner vom Abend bis
zum Morgen streng von der übrigen Einwohnerschaft abgesperrt
wurden und im Allgemeinen nur auf den Trödelhandel und
einzelne Gewerbe angewiesen waren, aber unter allen Ver-
folgungen sirenger als sonst irgendwo Charakter, Sitten und
Bräuche der Vorzeit sich bewahrt haben. Diese Judenstadt
mit ihren engen, dumpfigen und schmutzigen Gassen gehört zu
den interessantesten Sehenswürdigkeiten Prag's, und kein den-
kender und beobachtender Fremder versäumt es, die mehr als
tausendjährigen Gassen der Judenstadt zu besuchen. Hier
herrschen noch Armnth und Verwahrlosung neben inächligeni
Ringen nach socialem Anfschiuung und all'' den Tugenden des
Familienlebens, freundnachbarlicher Dienstfertigkeit und treuen
Zusammenhaltens, welche die Glanzpunkte des jüdischen Lebens
sind. Hier bemerkt inan den echten Altjnden oder Aschkenazim
im Feilschen nnd Handeln begriffen hinter ganzen Gehegen
von übelriechenden, mottennnischwirrten Kleidern, hinter Tischen,
welche hochanf beladen und umstellt sind von Trödelwaare,
die alle Gegenstände des menschlichen Bedarfs in unendlicher
Mannigfaltigkeit umfaßt, nnd hier pflegen die unteren Volks-
klassen nnd das Landvolk ihre Bedürfnisse von allen möglichen
Dingen einznkauscn. Hier herrscht daher vom Morgen bis
zum Abend jene lärmende Geschäftigkeit des Ansbietens und
Feilschens, das solche Trödelmärkte charakterisirt und wovon
unser erstes Bild S. 17 eine treue Darstellung gibt. Noch
interessanter aber als das Treiben der Lebenden in diesem
Ghetto ist der berühmte alte Inden-Friedhof von Prag,
welcher mitten zwischen diesen engen Gassen und uralten Ge-
bäuden in der Nähe der Altneuschnle, einer düsteren alten
Synagoge aus dem l2. oder 13. Jahrhundert, liegt und seit
1780 nicht mehr als Beerdigungsplatz benützt wird. Tausende
und Abertausende von schwarzgrau beinoosten alten Grab-
steinen mit verwitterten hebräischen Inschriften stehen hier-
dicht gedrängt neben einander, von Gebüschen aller Art, von
Hollundcrbäumen nnd spanischem Flieder beschattet nnd von
Schlingpflanzen nmrankl nnd überwuchert. Dieser Todtenacker,
ans dem die Gebeine unzähliger Generationen unberührt und

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ungestört iin Frieden ruhen, macht mit seinem stimmungsvollen
Halbdunkel, seiner tiefen, nur von Vogelgezwitscher und Jn-
sektensummen unterbrochenen Stille und seinen thciliveise^nerk-
würdigen Denkmälern, von denen unser zweites Bild S. 17
eine Ansicht darbietet, einen unbeschreiblich tiefen und ernsten
Eindruck. Wie viele Hunderte vou Opfern der Willkür und
der Volksrohheit ruhen hier erschlagen in den zahllosen Juden-
hetzen der vergangenen Zeit! Am meisten Theilnahme erweckt
das Grab der Märtyrerin Lea, ans welches jeder israelitische
Besucher des Friedhofs nach altem mosaischem Brauche eiu
Steinchen legt, weil sie, die schönste Jungfrau der damaligen
Jndengemeinde, einst bei einer solchen Jndenhctze sich freiwillig
znm Opser der VolkSwuth hingab, uni ihren Glaubensgenossen
dadurch Schonung ZN erkaufen, und auch wirtlich von dem
wilden Hansen erschlagen ward, so daß nur ihre verstümmelte
Leiche ihren Angehörigen zurückgegeben werden konnte.

Tilly in Kothenburg on -er Tauber.
(Siehe tmS Bild nuf Seite 20.)
Es war im Jahre I63l, demselben, in welchem Tilly das
ihm seither so holde Kriegsglück untreu wurde und er nach
der verlorenen Schlacht von Breitenfeld (7. September) sich
an die Weser zurückziehen und Verstärkungen einholeu mußte,
mit denen er dann nach dem Süden eilte, wo die Siege
Gustav Adolph's die Sache der katholischen Liga gefährdeten
nnd die protestantischen Reichsstädte sich mit dem Lnchweden-
könig verbündeten. Schweinfurt und Würzburg sielen in die
Hände der Schweden, und diese rückten vom Maine her der
Tauber entlang vor, so daß Tilly, wenn er Allbayern vor
den Schweden schützen wollte, in Eile heranziehen mußte, um
deren Vordringen zu hemmeu. Lo marschirte er denn von
Aschaffenburg aus gegen die Tauber heran, denn unter den
fränkischen Reichsstädten, die sich Gustav Adolph angeschlossen
hatten, war unter anderen auch das wehrhafte Rothenburg
an der Tauber gewesen; es hatte dein schwedischen Obersten
v. Uslar seine Thore geöffnet und eine kleine Besatzung von
60 Reitern unter dem Körnet v. Rinkenberg als Besatzung
erhalten.
Rothenburg war eine wohlhabende Stadt von nur etwa
6000 Einwohnern, aber durch ihre Lage auf einem isolirten,
steil zum Tauberflüßchen abfallenden Bergrücken und eine starke
Ringmauer mit vielen Thünnen sehr fest. Die Bürger waren
stolz, tüchtig und waffengeübt, reichlich mit Geschütz, Gewehr
und Munition versehen, uud eifrige Protestanten, von jeher
gewohnt, sich gegen geistliche und weltliche Fürsten nnd Herren
ihrer Unabhängigkeit zu wehren, und ihr Stadtgebiet von etwa
sechs Qnadratmeilen mit 176 Ortschaften war ein ansehnliches
Besitzthnm unter den Reichsstädten. Tilly durfte es nicht zu-
lassen, daß die Schiveden sich eines solch bedeutenden L-tntz-
punktes an der Tauber bemächtigten und in Folge davon sich
in diesem Theile von Franken mehr ansbreiteten. Als daher
der Generalkommissär Ossa mit etwa 14,000 Mann frischer
Truppen aus den Plätzen im Elsaß zu ihm stieß und Tilly's
Heeresmacht selbst nach dein verunglückten Unternehmen ans
Wertheim den Schweden überlegen mar, wagte der behutsame
Tilly zwar nicht die von ihm erwartete Entscheidungsschlacht,
wohl aber einen Handstreich gegen Rothenburg.
Der General Ossa erhielt den Befehl, die kleine Reichsstadt
anzngreifen und einznnehmen, und erschien am Nachmittag des
28. Oktober 163l mit seinen, Vortrab vor der, Stadt, schloß
sie zunächst von der Laudseite ein uud ließ seine Truppen
sich in den Gärten vor dein Wall sestsetzen und von hier ans
die Manern nnd Thürme feuern. Die Bürger waren voll
Zuversicht auf die Festigkeit ihrer Manern und Wälle und
in die Unterstützung des noch in Würzburg weilenden Lchweden-
königs; sie lehnten daher die von General Ossa an sie er-
gangene Aufforderung zur Uebergabe stolz ab und erwiderten
ans Falkouetten und Kleingewehr das Feuer der Kaiserlichen.
Juzwisch.n hatten diese bald ermittelt, daß bei dein sogenannten
Knmmer-Eckthurin, an der Lckelle, wo die gen Osten streichende
Ringmauer nach -L-üden umbiegt, die schwächste Stelle der
Befestigungen sei. Am folgenden Tage, den 29. Oktober, in
aller Morgenfrühe schleuderte eine Batterie von sechs schweren
Geschützen, welche Ossa über Nacht halte anfführen lassen, ihre
gewaltigen Geschosse nach diesem Punkte, und die leichteren
Feldschlangen, Falkonette nnd Kanonen auf den Thürmen ver-
mochten diese schwere Batterie nicht ans ihrer Position zu ver-
treiben. Tag und Nacht donnerte daS Geschütz und legte
binnen 24 Stunden eine ganze Ltrecke der Ringmauer nieder.
Die wachsamen Bürger hatten zwar am 29. und in der darauf
folgenden Nacht alle Angriffe der Ligisten kühn abgeschlagen
und mehrere Handstreiche vereitelt, allein die Kaiserlichen
stürmten immer wieder von Neuem und der Morgen des
30. Oktober brachte in einem heransiehenden größeren Heere
nicht den erwarteten Ersatz von Seiten der Schweden, sondern
Tilly selbst mit der Hauptmacht seiner Truppen zur Stelle.
Ergrimmt über den Widerstand, welchen die kleine Stadt
seinem Heere leistete, ließ Tilly die Stadt von Neuem znr
llebergabe auffordern mit der Androhung, ihr im Weigerungs-
fälle daS Schicksal Magdeburgs zu bereiten; aber die Bürger-
blieben fest. Nnn ließ Tilly neue schwere Geschütze anfführen,
den Sturm erneuern, aber die hartnäckige Vertheidigung machte
den Belagerern jeden Fuß breit Boden streitig. Da flog gegen
Abend der Pulverthurm in die Luft, von einer feindlichen
Granate entzündet, und nach einem verzweifelten unausgesetzten
Widerstand von 30 Stunden überzeugten sich die schwedische
Besatzung und die Bürger, daß die Vertheidignngsmittel den
Mitteln des Angriffs nicht gewachsen waren und hingen die
weiße Fahne aus. Allein Tilly wollte ihnen keine Kapitulation
gewähren: die Schweden sollten frei abziehen, die Stadl sich
ans Gnade und Ungnade ergeben. Die Stadt ward besetzt
und Tilly nahm Besitz von dein schönen, großartigen Rath-
hanse. Vergebens warfen sich ihm Frauen und Kinder ans dem
Markte um Gnade flehend zu Füßen; er ließ, von seinen
Generalen und Obersten, von Aldringen, Graf Pappenheim,
dein Herzog von Lothringen, General Ossa u. A. umgeben,
den Rath der Ltadt mit dem Bürgermeister Johann Bezold
vor sich führen und erklärte ihnen, daß sie dem Tode ver-
 
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