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Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freyen Künste — 4.1758/​1759

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Vierten Bandes erstes Stück
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Dubos, Jean Baptiste: Beschluß der Anmerkungen des Abts du Bos über die Beschaffenheit des Genies der Dichter und der Maler
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https://doi.org/10.11588/diglit.63470#0028

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426 Anmerkungen des Abts du Bos
hauptsächlichste Gabe in der Erfindung bestehet, ge-
schwinder. Ich glaube, daß, überhaupt zu reden, die
Mater und die Dichter in dem dreyßigsten Jahre auf
die Höhe desParnassus gestiegen find, worauf ihnen
ihr Genre zu steigen erlaubt. Nachher werden fie in
ihren Werken zwar corr^cter und verständiger, aber
nicht fruchtbarer, pathetischer und erhabener.
Ferner da ein Genie langsamer ist als das andere,
und da ihr Fortgang durch die obengedachte Hinder-
nisse kann verzögert werden; so habe ich das dreyßigste
Jahr nicht als eine unveränderliche Zeit festsetzen wol-
len, vor und nach welcher man nichts mehr zu erwar-
ten hätte. Cs können unter dem Alter, worin» zween
große Malek oder zween große Dichter zu ihrer Voll-
kommenheit gelanget sind, fünf oder sechs Iahte Un-
terschied seyn. Einer kann dazu im acht und zwan-
zigsten, andere im drey und dkeyßigsten Jahre gelangen.
Racine war seit seinem acht und zwanzigsten Jahre
völlig ausgebildet. La Fontaine hingegen war weit
älter, da er die ersten von seinen vortrefflichen Werken
verfertigte. Die Art der Dichtkunst, der sich iemand
widmet, kann dieses Stufenjahr noch zurückhalten.
Mokiere war vierzig Jahr alt, als er die ersten Lust-
spiele verfertigte, welche würdig sind unter die gezäh-
lt zu werden, die ihm seinen Ruhm erworben haben.
Aber um diese zu verfertigen, war es nicht genug, daß
Mokiere ein großer Dichter war; sondern er mußte
auch eine Kenntniß der Menschen und der Welt haben,
die mgn so bald nicht erlanget, und ohne welche der
beste Poet nur mittelmäßige Lustspiele machen wird.
Der tragische Poet kann den Grad der Vollkommen-
heit, dessen er fähig ist, geschwinder erlangen, als der
komische
 
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