ein Trauerspiel. 8or
hätte er sich rühmen können, dem Euripides nach-
geahmt zu haben.
Der unverzeihlichste Fehler des Dichters aber ist,
daß er dem Zuschauer am Ende des vierten Aufzugs
ganz ohne Noch entdeckt, Northumberland sey ein
schändlicher Verräther, der aus Herrschsucht seine ei-
gene Kinder in das Unglück stürzt. Wir intereßir-
ten uns Anfangs für die leidende Tugend der Jo-
hanna; aber wir erfahren itzt, daß sie sich über die
Ihrigen mehr zu beklagen hat, als über ihre Feinde.
Sie ist mehr eine betrogene, als eine verfolgte Un-
schuld. So gar der Charakter des Gardiners ver-
liert dadurch von seiner Häßlichkeit, und Maria
verdienet nunmehr weit weniger unfern Haß, nach-
dem wir wissen, daß ste gerechte Sache hat. Da
der Dichter, wie er in der Vorrede erinnert, nur
die moralische Größe seiner Heldinn in ein Helles
Licht setzen wollte; so hätte nothwendig der Cha-
rakter Northumberlands, welcher in diesem Stücke
ohnedem nur eine Nebenrolle spielt, unbestimmt
bleiben müssen. Die Verrätherey dieses Lords, diese
an sich große Triebfeder der Handlungen, welche in
gegenwärtigem Stücke nur schädliche Folgen hat,
würde zu einem andern Plane passen, in welchem
der Charakter des Northumberlands, und die
daraus erstandene Begebenheiten besser ausgeführt
würden.
Wir bemerken zum Beschlüsse noch dieses. Die
Kunstrichter, welche den Dichtern rächen, nichts
als vollkommen tugendhafte Personen aufzuführen,
mögen aus dem Exempel dieses Trauerspiels lernen,
wie schädlich ihr Rach für tragische Dichter sey. Der
Charakter
hätte er sich rühmen können, dem Euripides nach-
geahmt zu haben.
Der unverzeihlichste Fehler des Dichters aber ist,
daß er dem Zuschauer am Ende des vierten Aufzugs
ganz ohne Noch entdeckt, Northumberland sey ein
schändlicher Verräther, der aus Herrschsucht seine ei-
gene Kinder in das Unglück stürzt. Wir intereßir-
ten uns Anfangs für die leidende Tugend der Jo-
hanna; aber wir erfahren itzt, daß sie sich über die
Ihrigen mehr zu beklagen hat, als über ihre Feinde.
Sie ist mehr eine betrogene, als eine verfolgte Un-
schuld. So gar der Charakter des Gardiners ver-
liert dadurch von seiner Häßlichkeit, und Maria
verdienet nunmehr weit weniger unfern Haß, nach-
dem wir wissen, daß ste gerechte Sache hat. Da
der Dichter, wie er in der Vorrede erinnert, nur
die moralische Größe seiner Heldinn in ein Helles
Licht setzen wollte; so hätte nothwendig der Cha-
rakter Northumberlands, welcher in diesem Stücke
ohnedem nur eine Nebenrolle spielt, unbestimmt
bleiben müssen. Die Verrätherey dieses Lords, diese
an sich große Triebfeder der Handlungen, welche in
gegenwärtigem Stücke nur schädliche Folgen hat,
würde zu einem andern Plane passen, in welchem
der Charakter des Northumberlands, und die
daraus erstandene Begebenheiten besser ausgeführt
würden.
Wir bemerken zum Beschlüsse noch dieses. Die
Kunstrichter, welche den Dichtern rächen, nichts
als vollkommen tugendhafte Personen aufzuführen,
mögen aus dem Exempel dieses Trauerspiels lernen,
wie schädlich ihr Rach für tragische Dichter sey. Der
Charakter