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Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen (Band 33,1): Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Stadt Quedlinburg — Halle, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.41156#0024
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Kreis Stadt Quedlinburg.

Das Herrschaftsgebiet und der Grundbesitz des Stiftes war
ursprünglich so bedeutend, daß es, wenn es sie hätte behaupten können, sich mit
manchem Herzogtum hätte messen können. Es reichte im Westen bis Duderstadt
im Eichsfeld (seit 974), im Osten bis zum Havellande (Zauche), im Süden bis
zum Vogtlande, von dem Stadt und Land Gera quedlinburgiseh war1) seit 999);
nach Norden bis Möckern bei Burg und umfaßte hier die Grafschaft Bindow (im
Anhaitischen). Aber es gelang auch den energischsten Äbtissinnen nicht, die
Habgier und Herrschsucht der Nachbarn, besonders des Bischofs von Halberstadt,
und der eigenen Schutzherren, Vögte und Lehensträger völlig unschädlich zu
machen.- Doch hatte Agnes II. von Meißen (1184—1203), die die Vermögens-
verhältnisse des Stiftes erheblich besserte und viele Güter zurückkaufte, noch
mehr als 242 Hufen, davon 56 Hufen 71j2 Morgen in eigener Verwaltung, 174 als
abgabenpflichtig, 7 abgabenpflichtige Gehöfte, 23 abgabenpflichtige Plätze, 3 Mühlen
in eigenem Betrieb, 3 pachtpflichtig, 5 Weingärten. Unter ihrer Nachfolgerin
Sophie von Brena (1206—1224) kam das Kloster Brena mit allen seinen Be-
sitzungen hinzu. Blieb zunächst und bis an das Ende des 14. Jahrhunderts
hinein diese Herrschaft bestehen, so wurden doch die Äbtissinnen ihrer nicht
recht froh. Außer den Schutzherren und dem Bischof von Halberstadt machte die
Stadt Quedlinburg selbst ihnen das Leben sauer. Der Kampf mit diesen drei
Gewalten verbrauchte die Kraft gerade der tüchtigsten von ihnen, obgleich Papst
und Kaiser ihnen meist zur Seite standen. Besonders schwer hatte es die letzt-
genannte Fürstin, Sophie von Brena. Mitten in den Kampf der Gegenkönige,
Philipps von Schwaben, Ottos IV. und Friedrichs II. gestellt, hatte sie dazu mit
Hoyer von Falkenstein schwer zu ringen, der, seine Stellung als Schutzherr des
Stiftes mißbrauchend, alles tat, die Äbtissin zu schädigen, während zugleich der
Bischof von Halberstadt sich Beeilte anmaßte. Gegen den Willen des Papstes
entschied ein päpstlicher Legat gegen die Äbtissin in dem Streite um das Palm-
fest und bestimmte, daß der Bischof berechtigt sei, mit 60 Pferden dies Fest in
Quedlinburg auf Kosten des Stiftes zu feiern. 1224 erzielten ihre Gegner sogar
ihre Absetzung. Ein Ende des Streites zwischen Bischof und Stift war nicht
abzusehen, und dieser hat sich noch jahrhundertelang hingezogen. Die Über-
griffe des Bischofs hatten das Ziel, die Unmittelbarkeit des Stiftes zu brechen
und ihn zum Herrn über das Stift zu machen. Um den Papst, der sich stets
auf die Seite des Stiftes stellte, kümmerte er sich nicht und half jedem, der dem
Stifte feindlich war. Inzwischen war diesem längst der dritte Feind heran-
gewachsen, die Stadt selbst, die umgekehrt von der Hoheit des Stiftes loskommen
wollte, als Hansastadt längst von starkem Selbstgefühl erfüllt. Gegen die Hansa
hatte schon 1267 eine Anzahl Fürsten, die zur IJegung des Gerichts unter dem
hohen Baum in Quedlinburg zusammengekommen waren, ein Bündnis geschlossen.
Gegen Bischof und Stadt kämpfte, von beiden herausgefordert, besonders Hedwig
von Sachsen, deren Bruder Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht von Sachsen
mit den Waffen für sie eintraten, die Stadt am 24. Juli 1477 ohne eigene Verluste
erstürmten und plünderten und ihren Kat und den Bischof, dessen Verbündete
nicht Zeit zum Eingreifen fanden, zwangen, auf alle ihre Ansprüche zu verzichten.

1) Cohn, Stift Quedlinburg und das Vogtland, FIZS. 1870.
 
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