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Brinkmann, Adolf [Bearb.]
Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen (Band 33, 2): Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Stadt Quedlinburg — Halle, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.41157#0104
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Kreis Stadt Quedlinburg.

XI. Pfarrkirche St. Nikolai
• in der Neustadt.
Besondere Quellen : die Kirchenbücher der evangelischen Gemeinde 1599
bis 1626, Taufregister von 1578—1592.
Die erste Erwähnung geschieht 1222, wo auch überhaupt zum ersten Male
von der Neustadt die Bede ist. Zwar ist 1163 schon von der antiqua urbs gesprochen,
doch wird damit die Altenburg gemeint sein, eine Kirche ist aber damals hier schon
vorhanden gewesen, da die Anlage der Neustadt von vornherein auf eine solche
Bedacht nimmt. Der Grundriß lehrt nämlich, daß die jetzige Kirche außer an der
Südseite ringsum nur von rechtwinklig sich durchschneidenden Straßen, nicht aber
von engen hoflosen Häuserreihen wie jetzt umgeben war. Man hat also den Platz
zwischen Steinweg, Konvent, Kaplanei und Pölkenstraße freigelassen. Man muß
deshalb annehmen, daß 1163 auch schon eine Kirche stand. Das Nähere siehe
weiter unten in der Baugeschichte. Die Wahl des Schutzpatrons Nikolaus scheint
darauf hinzudeuten, daß die Bürgerschaft der neuen Siedelung die Eischerei als
ihr Hauptgewerbe betrachtete, was bei der Nähe des Hauptarmes der Bode nichts
Auffälliges hat.
Das Patronat besaß von Anfang an die Äbtissin, behielt es sich auch aus-
drücklich vor, als sie 1300 die Neustadt an den Grafen Ulrich von Regenstein
verkaufte. Sie hat es bis zum Untergange des Stifts 1803 behalten, wo dann der
preußische Staat ihr Nachfolger wurde.
Der Umfang der Nikolaigemeinde wird von der Stadtmauer und dem
östlichen Mühlengraben deutlich gekennzeichnet; er übertrifft das der ganzen
Altstadt (ohne Westendorf) um etwa 5—6 Hektar (Altstadt rund 24 Hektar, Neu-
stadt 30 Hektar). Es war dann auch bald die größte Gemeinde. 1846 hatte sie
579 Häuser mit 4714 Einwohnern. 1912 gab es 9000 Gemeindeglieder.
Ein Pfarrer wird zum ersten Male 1222 genannt, wohl der einzige damals.
Daß bald ein Gehilfe nötig wurde, ist bei der rasch zunehmenden Siedelung
wahrscheinlich. Doch 1350 sagt Johannes von Bortsowe, daß zur Zeit der Stiftung
eines Hauses durch Heinrich von Hohendorf und seine Gattin Adelheid (1255)
nur ein Pfarrer da war, jetzt aber (1350) multi . . . sacerdotes et scolares;
so heißt denn auch 1327 Gerhard von Sman und 1355 derselbe Priester Johannes
rector ecclesie. Auch die Amtswohnung wird hier erwähnt. Der Titel Rektor
kommt dann überhaupt oft vor (1370, 1375, 1385). — Doch war der kirchliche Sinn
inzwischen gesunken, und Johannes klagt, daß er Schwierigkeiten hätte mit der
Einziehung der schuldigen Beträge, da die Zensiten quasi tepidi et ad divinum
officium immobiles wären und sich ihren Verpflichtungen nach Möglichkeit zu
entziehen suchten. — Die Reformation drang auch in der Nikolaigemeinde nicht
ohne Kampf durch. Besondere Verdienste um die Einführung der neuen Lehre
in der Stadt erwarb sich der Oberprediger Johannes Bethmann, mehrmals auch
Erzpriester des Bannes Quedlinburg genannt, der den wieder schwankend ge-
wordenen Dr. Runge, einen Augustiner, scharf angriff. Vor den Schutzherrn des
Stifts, Herzog Georg von Sachsen, gefordert, vertrat er seinen Standpunkt so
kraftvoll, daß jener ihm nicht nahezutreten wagte, sondern ihn mit einer Er-
mahnung entließ. Bethmann starb aber dann bald infolge der Aufregung, in die
 
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