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Bode, Wilhelm; Bertoldo <di Giovanni> [Hrsg.]
Bertoldo und Lorenzo dei Medici: die Kunstpolitik des Lorenzo il Magnifico im Spiegel der Werke seines Lieblingskünstlers Bertoldo di Giovanni — Freiburg im Breisgau, 1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.16719#0089
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DIE BRONZE STATUETTEN

IR sahen aus den Arbeiten Bertoldos, was uns durch ver-
schiedene Urkunden bestätigt wird, daß der Künstler als
Bronzegießer sehr wenig veranlagt war, und daß er sich
für den Guß daher mehrfach (wenn nicht meist) fremder
Kräfte bediente. Bei der Herstellung von Freifiguren in
Bronze, namentlich von Statuetten, mußte ihn dieser Mangel
in seiner Begabung besonders hinderlich sein. Dennoch schreckte er
nicht davor zurück; er ist vielmehr neben dem etwa gleichaltrigen Antonio
Pollaiuolo der erste Florentiner, der selbständige Bronzestatuetten schuf.
Hatten doch Ghiberti sowohl als Donatello Statuetten nur in Verbindung
mit ihren größeren Bronzemonumenten angebracht, aber noch nicht um
ihrer selbst willen als besondere kleine Kunstwerke für sich dargestellt.
Grade das hat aber Bertoldo vor allem angestrebt.

Der Aufbau seiner Reliefkompositionen, der großen wie der
kleinen, zeigte uns, wie der Künstler ein Neuerer darin war, daß er
auf symmetrische Anordnung seiner Figuren und auf ihre rhythmische
Bewegung den Hauptnachdruck legte, während ihn die Raumprobleme,
die seine Zeitgenossen als eine ihrer wichtigsten Aufgaben betrachteten,
wenig kümmerten. Perspektivische Vertiefung strebt er nicht an, baut
seine Kompositionen vielmehr fast in der Fläche auf, mit wenigen Aus-
nahmen ohne Hintergrund und selbst mit geringer Plastik seiner Gestalten.
Um so auffälliger ist, daß er trotzdem für die Darstellung der Freifigur
besonderes Interesse bekundet und dabei den statuarischen Anforderungen
in Haltung und Bewegung schon in einem Maße gerecht wird, wie vor
ihm kein anderer Künstler. Hatte die Wiederholung des Kampfreliefs
in Pisa, die ihm, trotz dem Bestreben das antike Vorbild möglichst treu
nachzubilden und in seinen Fehlstellen zu ergänzen, unter der Arbeit
doch zu einer Umgestaltung im eigenen, im modernen Sinne wurde,
seinen wesentlich abweichenden Reliefstiel so gut wie gar nicht beeinflußt,
so hat gerade diese Arbeit, auf die der Künstler sehr viel Zeit und
Mühe hat verwenden müssen, für seine Auffassung und Behandlung
der Freifigur eine wesentliche Einwirkung auf ihn ausgeübt. Das antike
Relief ist nämlich so hoch gearbeitet, daß es die Figuren zum Teil
fast frei vor dem Grunde zeigt, und diese sind in einer Fülle der ver-
schiedensten Ansichten, Stellungen und Bewegungen gegeben, so daß
sie für Erfindung und Gestaltung von Einzelfiguren in mannigfaltigster

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