Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bode, Wilhelm; Bertoldo <di Giovanni> [Hrsg.]
Bertoldo und Lorenzo dei Medici: die Kunstpolitik des Lorenzo il Magnifico im Spiegel der Werke seines Lieblingskünstlers Bertoldo di Giovanni — Freiburg im Breisgau, 1925

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.16719#0123
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
CHARAKTERISTIK DES KÜNSTLERS

UND

KÜNSTLERISCHE ZIELE LORENZOS

US seinen Werken wie aus den wenigen Urkunden über
sie lernen wir Bertoldo kennen als einen Künstler von
mäßigem und zum Teil selbst geringem technischen Ge-
schick, aber von viel Phantasie und neuartiger Formen-
auffassung. Seine früheren Werke, namentlich die kleine
Bronzetafel mit der Klage um den Leichnam Christi im
Bargello und seine Madonnenreliefs verraten den Künstler noch als den
Schüler Donatellos in dem starken Realismus der Formenbildung wie
des Ausdrucks, wenn dieser auch schon gemäßigt ist durch das vor-
wiegende Streben nach Symmetrie im Aufbau und Rhythmus in der
Bewegung. Diese werden für ihn in der späteren Zeit die maßgebenden
Faktoren seiner Kunst. Von seinem Lehrer behält er auch dann noch
eine gewisse Herbigkeit und Schematismus in der Formengebung, aber
indem er seine Formen typischer — „antikischer", wie er glaubte
zu gestalten sucht, weiß er in der Mannigfaltigkeit der Typen eine
eigene Schönheit zu erzielen. Ähnliches erstrebt er auch für den
Ausdruck, worin er bei aller Stärke und Verschiedenheit doch eine wohl-
tuende Mäßigung einzuhalten weiß. Eine eigene Schönheit weiß er durch
den Rhythmus der Bewegung zu erzielen; diesen bringt er vor allem in
den Reliefs durch interessante Gegensätze in der Gegenüberstellung der
Figuren und bei den Einzelfiguren in wirkungsvollen Wendungskontrasten
und starker Opposition der einzelnen Körperteile zur Anschauung.

Im Gegensatz zu Donatello verzichtet Bertoldo fast ganz auf Tiefen-
wirkung, verschmäht deshalb die Anbringung von Architektur und selbst
von jeder den Raum vertiefenden Ferne, erzielt die plastische Wirkung
seiner Figuren vielmehr durch seine eigentümliche Verschiebung inner-
halb der Komposition oder, bei Einzelfiguren, durch Drehung im Körper
und wirkungsvolle Bewegung der Extremitäten. Dadurch gewinnt der
Körper neue Bedeutung, neben und zum Teil selbst gegenüber dem
Kopf, dessen Intentionen er in ausdruckvollster Weise im Körper
mit zum Ausdruck bringt. Durch diese Wendungskontraste, durch
die neuen, interessanten Ansichten, die der Künstler dem Körper von
allen Seiten zu geben weiß, ist er der erste, der in der Plastik der
 
Annotationen