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Bode, Wilhelm; Bertoldo <di Giovanni> [Hrsg.]
Bertoldo und Lorenzo dei Medici: die Kunstpolitik des Lorenzo il Magnifico im Spiegel der Werke seines Lieblingskünstlers Bertoldo di Giovanni — Freiburg im Breisgau, 1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.16719#0113
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FRAGLICHE UND IRRTÜMLICH BERTOLDO
ZUGESCHRIEBENE WERKE

IT dieser dem Bertoldo noch als wahrscheinlich zuzu-
schreibenden kleinen Bronzegruppe machen wir den Über-
gang zu einer Reihe von Arbeiten, die ihm nach unserer
Überzeugung teils mit geringerer Wahrscheinlichkeit, meist
aber mit Unrecht zugeschrieben werden. Regelmäßig wird
jetzt ein umfangreiches Tonrelief — es mißt 1 Meter in der
Breite bei etwa halber Höhe — für den Meister in Anspruch genommen.
Es war aus den Magazinen eines Florentiner Palastes in den Handel ge-
kommen und wurde vor etwa 35 Jahren in Florenz für die Berliner Museen
erworben. Daß es in Ton ausgeführt ist, kann nicht unbedingt gegen Ber-
toldos Urheberschaft angeführt werden, wenn wir auch bisher kein solches
Werk von seiner Hand kennengelernt haben; denn den eingangs von
uns wiedergegebenen Brief von 1479 beginnt der Meister mit den
Worten, daß er eben ein Tonmodell vernichtet habe. Auch hat das
Relief manches, was für Bertoldo spricht. Schon das Motiv ließe sich
dafür anführen. Daß es eine „bacchische Darstellung" vorführt, wie der
Berliner Katalog behauptet, ist schwerlich richtig; vielmehr scheint eine
komplizierte Allegorie wiedergegeben zu sein, wie sie der Meister und
sein vornehmer Ratgeber liebten. Die Darstellung auf der großen
Plakette im Louvre (vgl. S. 60) scheint ein sehr verwandtes, aber ein-
facheres Motiv wiederzugeben. War dort eine Allegorie der Strafe,
die den Lüsten auf dem Fuße folgt, verbildlicht, so ist hier mit einem
ähnlichen Gedanken, der auf der linken Bildseite in sehr bewegten
Figuren dargestellt ist, eine andere Szene auf der rechten Seite ver-
bunden, die in ihrer ruhigen Haltung mit jener bewegten Komposi-
tion kaum in einem Zusammenhange zu stehen scheint. Der Dreizack,
den eines der beiden Kinder dem sitzenden nackten Manne reicht,
scheint auf einen Meergott zu deuten, mit dem der kleine Satyr, der
eine Vase vor sich hinstellt, schwer in innere Verbindung zu bringen
ist. Wie diese schwierigen allegorischen Beziehungen, so sprechen auch
die Wahl verschiedener Maßstäbe in der Größe der Figuren, die starke
Opposition und Differenzierung in der Darstellung der Körper wie das
flache Relief für Bertoldo. Dagegen muß der Mangel an Symmetrie
und Rhythmus, die Körperfülle der beiden weiblichen Gestalten, die
Bildung der Köpfe, der weiblichen wie der männlichen und der Kinder,

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