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Boeheim, Wendelin
Handbuch der Waffenkunde: das Waffenwesen in seiner historischen Entwicklung vom Beginn des Mittelalters bis zum Ende des 18. Jahrhunderts — Leipzig, 1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.13832#0442

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D. Die Fernwaffen. 4. Die Feuerwaffen.

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Man führt als eins der frühesten Beispiele der Anwendung von
Geschützen den Krieg von Chioggia (1381) an. Nun kennen wir
aber ein Senatsdekret von Venedig von 1324, also weit vor diesem
Kriege datierend, mit welchem die Regierung den Gonfaloniere und
die 12 Vertrauensmänner beauftragt, cannoni und „eiserne" Kugeln
zur Verteidigung der Stadt anfertigen zu lassen.*)

Die technische Entwickelung der Feuerwaffe in ihren ersten Stadien
ist bis jetzt noch nicht genügend festgestellt, doch deuten die kurzen
Angaben der Chronisten darauf hin, dafs die ersten Feuerwaffen als
schwerfällige Maschinen auftraten, die den Bewegungen des Heeres
im Kriege nur langsam und mit vielen Anstrengungen zu folgen
vermochten, also als Positionswaffen anzusehen waren.

Wir unterscheiden in der Waffenlehre zweierlei Kategorien von
Feuerwaffen. Das Geschütz, welches auf dem Boden ruhend, von
Menschen- oder Pferdekräften bewegt wird, und die Handfeuer-
waffe, welche von einem Schützen allein getragen und bedient wird.

Aus den Nachrichten der Chronisten ergibt sich, dafs erst all-
gemach mit der Entwickelung der Technik und Kriegskunst die Feuer-
waffe beweglicher, handsamer, leichter gemacht wurde, bis man dahin
gelangte, ihre Bewegung und Bedienung auch der Kraft eines ein-
zelnen Kriegers zuzumuten. Dieser Weg wurde aber, als sich die
Erfindung endlich Bahn gebrochen hatte, in verhältnismäfsig schneller
Zeit zurückgelegt. Die erste Nachricht vom Gebrauche des Schiefs-
pulvers durch die Tartaren unter Babu Chan bei Liegnitz gegen die
Polen und Schlesier fällt in das Jahr 1241; und schon um 1320
besafs jede gröfsere Stadt Geschütze, um 1350 selbst gegossene.
Um 1360 finden wir bereits ,,spannenlange" Handbüchsen, ja 1380
selche von Bronze gegossen. Die ersten Geschütze waren aus Eisen,
über den Dorn geschmiedet und bestanden aus mehreren Lagen. Die
erste Lage bestand aus einer mäfsig dicken Eisenplatte, welche um
den Dorn gebogen und zu einer Röhre verschweifst wurde; dann kam
gewöhnlich darüber eine der Länge nach angeordnete Lage Lang-
schienen, welche mittels einer Reihe von in glühendem Zustande
darübergezogenen Ringen gehalten wurden. So schwerfällig die
ersten Geschütze auch waren, so besafsen sie doch nur eine mäfsige
Gröfse. Erst am Ende des 14. Jahrhunderts suchte man sich in der
Ausdehnung der Rohre zu überbieten. Es ist eine noch ungelöste
Frage, ob die ersten Geschütze schon für den direkten Schufs ge-
dient haben; es klingt wahrscheinlicher, dafs sie anfänglich nur für
den Wurf eino-erichtet waren. Das Geschofsmaterial bestand in den ersten

O

Zeiten aus natürlichen grofsen Feldsteinen, später, um die Mitte des
14. Jahrhunderts, bediente man sich kugelförmig zugemeifselter Bruch-

*) Gelcich, G., Die Erzgiefser der Republik Ragusa. Mitt. der k. k. Zentr.-
Kommission, 1890.
 
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