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Boeheim, Wendelin
Handbuch der Waffenkunde: das Waffenwesen in seiner historischen Entwicklung vom Beginn des Mittelalters bis zum Ende des 18. Jahrhunderts — Leipzig, 1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.13832#0480

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5- Der Gewehrlauf.

Wie die Betrachtung der ältesten Gewehrläufe lehrt, haben diese
einen schwierigen Weg bis zu ihrer vollendeten Ausbildung durch-
gemacht. Zwar war man schon im 14. Jahrhundert im stände, Läufe
aus Bronze zu giefsen; diese aber hatten nur eine sehr geringe Länge,
weil man das Bohren nicht verstand und der Lauf mit seiner inneren
Höhlung gegossen werden mufste. Das schliefslich unerläfsliche
Nachbohren stiefs schon auf Schwierigkeiten.

Das Bedürfnis, längere Läufe zu besitzen und die bedeutenden
Kosten bronzener Läufe zu ersparen, führte darauf, die Läufe aus
Eisen zu erzeugen. Dies geschah, indem man platte Eisenstücke
über den Dorn schmiedete und so an beiden Enden offene Röhren
erhielt; der Stofsboden wurde dadurch hergestellt, dafs man in das
glühend gemachte hintere Ende einen eisernen Keil trieb. Das
Zündloch war anfangs an der oberen Seite; im Verlaufe des 15. Jahr-
hunderts rückt es allmählich mehr gegen die rechte Rohrwand hin,
wo zuletzt, um das Zündkraut aufschütten zu können, aus dem Block
selbst eine Schale herausgeschmiedet wird, die zuletzt die Form einer
Zündpfanne annimmt. Derlei Läufe sind in der Regel prismatisch
gebildet. Eine Visiervorrichtung ist bei gemeinen Rohren erst um die
Mitte des Jahrhunderts zu entdecken.*) Gegen das Ende des 15. Jahr-
hunderts begegnet man dem ersten Versuche, das Rohr durch eine
Schraube, die sogenannte Schwanzschraube, zu schliefsen. Diese
Erfindung ist als eine namhafte Verbesserung anzusehen. Nun konnte
das Innere des Rohres besser gereinigt werden, der Verschlufs wurde
zugleich sicherer, und es ergab sich aufserdem der Vorteil, dafs man
mittels eines Fortsatzes den Lauf in eine sichere Verbindung mit dem
Schafte bringen konnte. Sehr früh nahm man darauf Bedacht, den
Lauf an der Mündung zu verstärken, vermutlich weil in manchen
Fällen die Schweifsnaht beim Schusse entzweirifs. Solche Verstärkungen
finden sich noch um die Mitte des 16. Jahrhunderts. Eine Ver-
besserung von ungemeiner Wichtigkeit führte die am Anfange des
16. Jahrhunderts in Spanien oder Italien gemachte Erfindung herbei,
die Läufe zu bohren. Nun konnte der Lauf aus besserem Eisen
gefertigt und an den Aufsenflächen regelrecht gezogen werden; die
Bohrung erfolgte durch eine Führung an den Aufsenwänden. Manche An-
zeichen deuten darauf hin, dafs die Araber schon vor den Europäern
ihre Gewehrläufe gebohrt hatten. Im Laufe des 16. Jahrh. nahm die
Fertigkeit des Bohrens in so hohem Grade zu, dafs um 1570 schon

*) In der Waffensammlung des Chorherrenstiftes Klosterneuburg bei Wien findet
sich eine bedeutende Anzahl geschmiedeter Rohre vom Anfang des 15. Jahrhunderts
bis ins 16. Jahrhundert datierend, an welcher wertvollen Kollektion die allmähliche
Verbesserung ganz deutlich zu verfolgen ist.
 
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