Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
28

ZWEITES KAPITEL.

nur eine einfache Pforte sich nach dem Platz zu öffnet, geht
der Blick durch die Arkadenhallen des Hofes und den hinteren
Loggienbau bis zum Garten, um sich jenseits desselben in die
hüglige Landschaft zu verlieren, die sich zu Füßen des Berges
breitet. Die Freude an landschaftlicher Schönheit Pius II., des
poeta laureatus, der als einer der ersten die Natur mit den
heiteren Augen des humanistischen Menschen genoß, findet hier
ihre architektonische Fassung. Und die Wirkung der Land-
schaft ist auch für das Platzbild gewonnen. Indem die seitlichen
Paläste nach Süden gegen den Dom auseinanderweichen, lassen
sie den Blick hinausgleiten, weit hinaus über das regellose Bett
der Orcia zu den Ketten des vulkanischen Gebirges Amiata.
Neben der schönen Abwägung der Baukörper gibt dieser sehn-
süchtige Blick in die Ferne dem Platz eine Stimmung, wie man
sie auf den übrigen Renaissanceplätzen nicht empfindet. Der
Dichter und sein Architekt, der zugleich Bildhauer war, finden
hier unter glücklichen Umständen ein Motiv, das erst Michel-
angelo fast achtzig Jahr später in großartigster Weise und mit
vollem künstlerischen Bewußtsein durchbildete (vgl. Abschnitt 14).
Die Pflasterung des Platzes zeigt die Zeichnung weißer, sich
rechtwinklig kreuzender Streifen auf dunklem Grunde. Sie ist
vielleicht das erste Beispiel einer kunstvollen Tektonisierung der
Platzfläche, die über musivische Dekoration hinausgeht. Der
kleine Ziehbrunnen eng an die Ecke des Palazzo Piccolomini
gerückt im Gefühl für die geringe Größe und die dadurch not-
wendige Reinhaltung der Platzfläche. Der Anblick aus dem
Tal erweckt trotz seiner Schlichtheit die Erinnerung an die
schöne Situation des Domes zu Erfurt, nur daß eben die Gotik
nicht, das Raumgefühl besaß, um oben statt enger, mürrischer
Winkel einen solchen Platz zu öffnen.
 
Annotationen