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Fünftes Kapitel.
Deutschland im XVI. und XVII. Jahrhundert.

20. Wandel der Raumdarstellung.
Mit dem XV. Jahrhundert beginnt die deutsche Gotik eine
neue Raumschönheit zu entwickeln. Das Körpergefühl
dehnt sich in die Breite, statt der gepreßten Proportionen strebt
man nach freierer Weiträumigkeit. Die dreischiffige Kathedrale
bildet sich zur Hallenkirche um, einen breiten, seitlich be-
leuchteten Gesamtraum darstellend, der Schloßbau gibt statt des
schmalen hohen Saales den gleichmäßiger proportionierten Raum.
Mit dem Wandel des Raumgefühls hören die gotischen Formen
auf, organisch zu entstehen, man wendet sie abgeleitet an.
Diese neue Raumdarstellung war wohl eine Annäherung
an diejenige der italienischen Renaissance, dennoch brachte das
Eindringen derselben im XVI. Jahrhundert nicht einem suchen-
den Streben Erlösung, sondern störte die ruhigreifende Ent-
wicklung. Die Architektur erhielt für ihre Aufgaben neue
Vorbilder, ehe sie reif genug war, diese völlig zu verstehen.
Trotz der breiteren Räumigkeit war die deutsche Spätgotik
weit entfernt, sich um die Schönheit der einzelnen Raumteilt
und ihrer Gesamtgruppierung zu bemühen, zu welcher die
italienische Gotik bereits um 1300 gelangt war und die die
Renaissance weiterbildete. Als dann die deutsche Architektur
die Renaissanceformen übernahm, hatten diese bereits eine
hundertjährige Entwicklung durchgemacht und selbst Oberitalien,
das Deutschland zumeist beeinflußte, suchte statt des schönen
Nebeneinander eine innigere Verklammerung der einzelnen
 
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