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Erstes Kapitel.
Die mittelalterliche Stadtanlage.

1. Gewachsene Städte.
Die Gotik anerkennt nicht das Gesetz der Symmetrie in dem
Maße wie die vorhergehenden und folgenden Stile. Der
einzelne Baukörper vermeidet durchaus nicht die Unregelmäßig-
keiten , sondern gestaltet ein asymmetrisches Konglomerat
einzelner Teile mit größerer oder geringerer Liebe aus. Seine
Kompositionsweise besteht, um ein knappes Wort L. v. Gey-
müllers zu gebrauchen, in Addition und Multiplikation kleinster
architektonischer Einheiten im Gegensatz zum Renaissance-
baukörper, der stets von der Einheit des Ganzen ausgehend und
diese als Maßstab nehmend in seiner Gliederbildung auf dem
Grundgedanken der Subtraktion und der Teilung beruht. Sein
Reiz liegt gerade darin, daß das Viele und Verschiedene, das
er umfaßt, sich auch als Vieles ausdrückt. Der gotische Bau-
körper ist an sich kein im künstlerischen Gleichgewicht ab-
geschlossener, er muß durch ähnliche Motive unterstützt werden,
wirkt erst im Gesamtkonzert.
Die Gotik entwickelt ihre Formen als strebende, sie ist ein
Vertikalstil: der steigenden Kraft des architektonischen Gliedes
legt sich nicht eine getragene Last entgegen, die horizontale
Entwicklung wird negiert. Der gotische Hausbau, der Dom,
bedarf darum keiner freien Platzfläche als Basis. Er verträgt
enge Umbauung und Einbauung nicht nur, sondern verlangt
Brinckmann, Platz und Monument. 1
 
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