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VIERTES KAPITEL.

Entwicklung. Milizia, trotz seiner Zeit den Werken des jüngeren
Barock zuneigend, faßt den künstlerischen Willen in Worte
(a. Anna. 24 a.O. I, cap. B): in ogni opera deve essere una progressione
crescente di bellezza. Der Renaissancepalast führt ohne Um-
stände auf den abgeschlossenen Hof, der Barock gibt im Vestibül
eine Vorbereitung des Hofraumes und öffnet jenseits eine Aus-
sicht in die Landschaft auf einen wirkungsvollen plastischen
oder architektonischen Abschluß25). Die kirchliche Architektur
gibt den Zentralbau zugunsten einer Tiefenentwicklung des Innen-
raumes auf, die erst im Chor ihre Vollendung erreicht. Der
ganze Raum scheint seine Lebensberechtigung nur in bezug
auf diesen Schluß zu erhalten, auf den er seine ganze Kraft
zusammendrängt. Gegenüber dem Bleibenden der Renaissance
resultiert hieraus der Eindruck der Bewegung.
Das Streben, diesen Bewegungseindruck innerhalb des
Raumganzen zu unterstützen, bestimmt die Gliederung der
raumabschließenden Wände. Wenn das Auge weitergeführt
werden soll, darf es nicht von der in sich geschlossenen Rein-
heit des Details festgehalten werden. Der Barock kennt keine
Teilschönheiten, er bemüht sich vielmehr, das Einzelne so zu
gestalten, daß es an sich unrein und unabgeschlossen wirkt,
daß erst die Gesamtanordnung die Lösung der einzelnen Disso-
nanzen gibt. Mit unwiderstehlicher Kraft treibt das brutale,
durch nichts unterbrochene Horizontalsims über der Pilaster-
ordnung des barocken Schiffes dem Chor entgegen; die retar-
dierenden Bogenöffnungen seitlicher Kapellen, die die Renaissance
zu reinster Durchbildung abklärte, werden möglichst aus-
geschaltet, die Führung des Lichtes unterstützt die Längs-
bewegung: II Gesü. Der spätere Barock wünscht den Blick
nicht nur in dieser einen Richtung gegen den Chor fortzuziehen,
sondern nach allen Seiten immer neue Blicke aufzutun und dem

25) Am großartigsten das von Vasari, Vita di Michelangelo, mitgeteilte
Projekt flir den weiten Durchblick vom Hof des Palazzo Farnese (vgl.
Abb. 19). Borromini schloß den Hof der Sapienza in Rom durch die ein-
gebogene Fassade von S. Ivo, ihm so Richtung gebend.
 
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