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Büttner, Nils [Hrsg.]; Koch, Anne-Katrin [Hrsg.]; Zieger, Angela [Hrsg.]; Schneidler, Friedrich Hermann Ernst [Hrsg.]; Ausstellung Buch - Kunst - Schrift: F. H. Ernst Schneidler <2013, Offenbach am Main> [Hrsg.]; Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart [Hrsg.]; Klingspor-Museum Offenbach [Hrsg.]; Bertram, Gitta [Bearb.]
Buch Kunst Schrift: F. H. Ernst Schneidler ; [diese Publikation erscheint begleitend zur Ausstellung "Buch - Kunst - Schrift: F. H. Ernst Schneidler", Klingspor-Museum Offenbach, 10. März bis 5. Mai 2013] — Stuttgart, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.38908#0282
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F
F wie Faszination
Grieshaber, Schneidlers bekanntester Schüler, sagte über sei-
nen Lehrer: »Bei ihm lernte ich, was ich bin; die Moral, die der
Mönch hatte, wenn er seine Bücher schrieb, mit der Hand. Die
Moral, alles besser, sauberer zu machen, nach dem Vollkomme-
nen zu streben. Mein Lehrer war ein großer Mann. Was man den
letzten Mohikaner nennt.«1. Als ich mit einem anderen Schüler
Schneidlers, Walter Staehle, telefonierte, sagte der alte Mann:
»Ich muss aufstehen, während Sie mit mir reden«. So tief war
seine Ehrfurcht vor dem Meister! Ich hatte Derartiges noch nie
erlebt. Und als ich den Typographen Christoph Dohse als gro-
ßen Grieshaber-Kenner anrief, um ihm von meinem »Fang« zu
berichten, stand er fünf Minuten später im Laden und erwarb
zwei Werke, die er sich quasi vom Mund absparte. Leidenschafts-
lose Kundschaft, die immerhin kauft, ist zwar für meine Krä-
merseele erfreulicher als begeisterte, die nur lobhudelt, jedoch
nichts kauft, hier war aber nun alles geboten, was meinen Be-
ruf so reizvoll macht: Die Lust der Entdeckung, das Gefühl von
Exklusivität in einem kleinsten Kreis von Kennern, exzellente
Qualität sowie Leidenschaft und Kaufbereitschaft seitens der
Kunden. Ein Schnäppchenpreis beim Erwerb hätte zwar mein
Glück vollkommen gemacht, aber man muss auch bereit sein,
angemessene Preise zu zahlen.
Schon im Gespräch mit Staehle kam die starke, fast dämo-
nische Wirkung von Schneidlers Persönlichkeit zum Ausdruck,
die mir seine fast 100-jährige Schülerin Hadwig Münzinger und
andere bestätigten. Hier war nichts vom klassischen Professor zu
spüren, der vom Katheder herab Langeweile verströmt, da war
vielmehr eine Persönlichkeit am Werk gewesen, die Menschen
prägte. Dazu hatten sicher seine Monomanie und fast schon as-
ketische Zucht beigetragen. Mir gehel zum Beispiel auch, dass
ein Mann, der einen Stiernacken zu haben schien, Miniatur-
kunstwerke von allergrößter Zartheit schuf.
Das Gros der Werke kaufte mein bester Kunde. Als ich ihn
später fragte, ob er seine Bilder wieder verkaufen würde, sagte er:
»Nur für loo.ooo €«. Ich dachte zunächst: »Der spinnt«. Doch als

Margarete Hannsmann: Pfauenschrei,
München 1986, S.72.

Thomas Leon Heck

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