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Buchner, Ernst; Jantzen, Hans [Gefeierte Pers.]
Das deutsche Bildnis der Spätgotik und der frühen Dürerzeit: [Hans Jantzen zum 70. Geburtstag] — Berlin, 1953

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https://doi.org/10.11588/diglit.31127#0108
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BAJUVARISCHES STAMMESGEBIET
Altbayern — Salzburg/Passau — österreich — Steiermark — Tirol

108. MÜNCHNER (?) MEISTER UM 1470, Bildnis eines Mannes mit ojfenem Buch.

Friedrich Herlin wurde das eigentümlich eindringliche Bildnis eines sinistren Magisters zugeschrieben, das
sich früher in der an raren Kunstsachen reichen Schloß-Sammlung zu Sigmaringen befand (Abb. 108).
Mit dem biedern, auf niederländische Farbrezepte geeichten Nördlinger hat das von dem schlagenden
Kontrast: Schwarz (Rock, Kappe) und Hellgelb (Grund), lebende, streng und herb gefügte Konterfei
nichts zu tun. Das im Vergleich zu den kleinen Händen mächtige, in großen Flächen und reinen Linien
entwickelte, dumpf graurosa Haupt wird durch die hohe, steil ansteigende, schwarze Kappe in seiner
beherrschenden Wirkung noch verstärkt, jedoch sorgen das großflächige Schwarz des breit gelagerten
Oberkörpers und seine in ihrer monumentalen Schlichtheit stark sprechenden Umrißlinien für den Aus-
gleich der Bildelemente. Den ernsten, messenden, bannenden Blick aus den dunkeln Augen wird man
nicht so leicht vergessen. Die scharf markierten Augenbrauen sind noch dunkel, während das halblange,
über das Ohr zurückgestrichene Haar schon angegraut ist. Die Modellierung des groß gesehenen, linear
empfundenen Antlitzes durch breite Schattenlagen und feine Lichtakzente (Nase, Tränensäcke, Mund) ist
knapp und wesentlich. Merkwürdig dagegen die zierlich das rotgebundene Büchlein (gelber Schnitt) hal-
tenden Hände, von denen die rechte geradezu verkümmert ist. Nicht einfach ist es, den Berufsstand des
Dargestellten genau zu bestimmen. Daß er die geistlichen 'Weihbn, zumindest die niederen, empfangen
hat, wird wohl stimmen, aber Magister und Ärzte sind damals oft kaum von den eigentlichen Kleri-
kern zu unterscheiden. Und ob das Büchlein ein Brevier oder ein Erbauungs- oder Stundenbuch ist,
bleibt im Dunkel. Wo der bemerkenswerte Meister gearbeitet hat, läßt sich heute noch nicht mit Sicher-
heit sagen, doch spricht Vieles für Altbayern und München, zumal dort Gelb die bevorzugte Hinter-
grundsfarbe für Bildnistafeln war. Von Polack gibt es vier Bildnistafeln mit gelbem Grund. Doch
ist der Meister unsrer Tafel nicht nur feiner organisiert, als der derb zupackende Münchner Stadtmaler,
sondern auch wesentlich älter, ein Zeitgenosse des Gabriel Mäleßkircher, dessen leichter und liebens-
würdiger Art ich jedoch das etwa um 1470 anzusetzende, ernst und zwingend erfaßte Bildnis nicht zu-
trauen möchte. Früher habe ich zeitweise an einen Nordtiroler gedacht, neige aber heute doch mehr dazu,
den Meister in München zu suchen, wofür auch die urtümliche Schlagkraft der Bildnistafel zu sprechen
scheint.

109. MÜNCHNER (?) MEISTER UM 1465—1470, Bildnis des Baumeisters Jörg von Halsbach.

Noch ein anderes, nicht minder fesselndes Bildnis hat man lange dem Nördlinger Stadtmaler zugetraut:
das herbe Baumeisterporträt aus der Basler Sammlung Dr. A. Burckhardt (seit 1932 Basel, öffentl.
Kunstsammlung, Abb. 111). Auf Grund einer nur fragmentarisch erhaltenen Inschrift auf der Rückseite
der Tafel hat es Otto Fischer als Porträt des Erbauers der Münchner Frauenkirche Jörg Ganghofer von
Halsbach angesprochen, doch mit Recht die Zuweisung an Jan Polack zurückgewiesen. Die künstlerische
Handschrift in ihrer „schnitzerischen“ Schärfe und charaktervollen Eckigkeit ist von ganz persönlichem
Gepräge. Trotz der Steinbrüstung und der jäh zurückstoßenden Mauerlaibung wirkt die steil und hart in
das Bildfeld gesetzte Gestalt räumlich beengt. Die forcierten Verkürzungsakzente werden durch die be-
herrschende Fläche des prachtvollen Damastteppichs gestoppt. Es bleibt der Eindruck des Zwiespältigen

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