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Ruskin

gültig begann ich das Bäumchen zu zeichnen, und wärend ich
zeichnete, zwangen jene herrlichen Linien sich mir auf und
jede Müdigkeit verschwand. Immer schöner wurden sie, als
jede sich von der andern trennte und ihre Stelle in den Lüften
einnahm. Mit immer zunehmendem Erstaunen bemerkte ich,
wie sie sich ,komponierten' und den Menschen ungekannten
feinen Gesetzen folgten. Endlich war der Baum da und alles,
was ich früher über Bäume gedacht hatte, war weggeblasen“
(Pr. II 112).

III.
„Modern Painters.“ Ruskins Lehre von
Kunst und Moral.
Schon jetzt reifte langsam in ihm der Gedanke
an die „Modern Painters“. Im Jahre 1843 erschien
der erste Band und machte den Vierundzwanzigjährigen
berühmt. Der Anlass zum grossen, langsam erschei-
nenden fünfbändigen Werke, war vor allem der leiden-
schaftliche Wunsch, Turner, „den grössten lebenden
Menschen“ (Pr. II 97) zu preisen, dann aber „Werte
umzuwerten“, seine Ansichten über Kunst, Natur und
Leben zu verkünden. „Ich sah, dass Lüge gelehrt
wurde, musste notgedrungen widersprechen, ich konnte
nicht anders“ (M. P. V XII).
Fast seine ganze künstlerische Lehre, sofern man
bei seinen vielfachen Wandlungen von einer Lehre
sprechen kann, ist im Erstlingswerke enthalten; aber
wie schwer, die Widersprüche auseinänderzuhalten,
dem Spreuhaufen gehässiger Uebertreibung, hoffnungs-
loser Unwissenheit die goldenen Körner zu entnehmen!
Das Hervorstechendste—und Verhängnisvollste —
ist die Betonung des ethisch-religiösen Endzweckes der
 
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