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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 34.1933

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Gabelentz, Hans von der: Die Wartburg in ihrer geistesgeschichtlichen Bedeutung
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https://doi.org/10.11588/diglit.35023#0005
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Die Wartburg in ihrer geistesgeschichtlichen Bedeutung.


!eder Mensch, in dem nur ein Flinker: Phantasie glüht, schafft sich zun: äußern Ausdruck seines Lebens-
inhalts Sinnbilder. Keinen: ist gegeben, freischwebend in reiner Gedankenwelt, nur von der diin-
^nen Luft abgezogener Begriffe zu leben. Gar erst der Gegenpol eines ausschließlichen Materialismus
drückt den Menschen auf die Stufe einer Maschine herab, schließt ihn damit aus der Lebensgemeinschaft
mit allen Wundern der Gotteswelt aus. Sinnbilder sind zugleich Geschöpfe menschlicher Erfindungskraft
und selbst schöpferische Kräfte, sind Diener des Menschen und gleichzeitig Herren — das ist ihr geheimnisvoller Wert,
das ist so recht ihre Magie. Sinnbild heißt etwas der Anschauung, dem Begreifen Gegebenes, heißt vor allem etwas
Lebendiges, Jahrtausende Überdauerndes,
zugleich aber auch ai: eine bestimmte Form,
einen bestimmten Ort Gebundenes.
Mit diesen zum Sinnbild gewordenen Orten
— nur von solchen soll hier die Rede sein —
hat es nun seine eigne Bewandtnis: Es bleibt
für uns eine offene Frage, ob der Mensch allein
von sich aus einer solchen Örtlichkeit magische
Kräfte gleichwie einen Zaubermantel um die
Schultern legt, oder ob nicht vielmehr von
der Örtlichkeit selbst eine zauberhafte, den
Menschen bannende Kraft ausströmt. Die ur-
alte Mär von: Riesen Antäus, den: Mutter
Erde durch Berührung mit ihr immer neue
Kräfte verlieh, ist eben doch mehr als bloße
Erdichtung. Ji: jener Sage verbirgt sich tiefste
Weisheit. Wir geben ihr die Deutung, daß die
Erde ihre Wunderkräfte an bestimmten Orten
zu zauberischer Wirkung bringt. Ich erinnere
an Weihestätten des Altertums, an Delphi, an
Eleusis, Namen, die Vorstellungen von Orakel-
sprüchen und Mysterien in uns auslöseu. Daß
geheimnisvolle Kulte sich gerade an diesen
Orten ausbildeten, beruht gewiß nicht nur auf
ihre zufällige Wahl, sondern — wir wagen
das Unbeweisbare hier anszusprechen — auf
eine rätselhaft verschleierte und doch wirksame
ürkraft. Wirkt an jenen klassischen Orten solche
Kraft auch heute noch? Vielleicht hat sie sich
aufgezehrt. Allein durch Jahrhunderte blieb sie
wirksam, zwang das vielleicht geistig begabteste
Volk, von den: wir wissen, die Griechen, in
ihren Bann; und einen letzten Nachklang jener
magischen Kraft vermeinen wir angesichts dieser
wunderbare:: Stätten noch bis in die Gegen-
wart hinein zu erlauschen.
Man hat uns Deutsche bisweilen den Grie-
chen verglichen, im Bösen wie im Guten. Der
Name „Jlmathen", uns allen geläufig, ent-
stand zur Zeit unseres klassischen Literaturab-
schnitts. Wir wollen den Vergleich nicht weiter
durchführen, auch nicht auf seine Richtigkeit hin prüfen, eins aber dürfen wir sagen: Wie den Griechen, so ist auch uns
Deutschen alles Sinnbildliche etwas durchaus Ernstes, jeder Ort, der zun: Sinnbild wurde, ein heiliger. Und welcher
Ort hätte gerade in unserer stürmischen Zeit ein größeres Anrecht darauf, als ein heiliger zu gelten, als die Wart-
burg?! Ich weiß wohl, daß die Wartburg kein Alleinrecht auf Sinnbildlichkeit genießt oder der einzige Wallfahrtsort
für Deutsche religiöser, vaterländischer, romantischer Gesinnung ist. Ich könnte Ihnen eine ganze Reihe anderer
Namen nennen, die als Sinnbilder schon in das Bewußtsein des Volkes eingegangen sind: das Hermannsdenkmal in:
Teutoburger Wald, der Kyffhäuser, Niederwald-, Völkerschlachtsdenkmal, Tannenberg u. v. a. m. In diesem Kreise
brauche ich die Kette der Namen nicht zu verlängern. Aber keine der genannten oder ungenannten Denkstätten läßt

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