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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 34.1933

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Teschner, Alwin: Die Torgauer Geharnischten und ihre Rüstungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.35023#0025
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Die Torgauer Geharnischten und ihre Rüstungen.
Von Alwin Teschner.
ehr und mehr verlieren in unserer Zeit alte mittelalterliche Überlieferungen an Beachtung und
Pflege durch die heutige Generation.
Eine rühmliche Ausnahme hiervon macht die in der alten kursächsischen Residenz- und Luther-
stadt Torgau noch heute bestehende Geharnischtenkompagnie.
Sie ist eine aus Bürgern der Stadt Torgau gebildete bewaffnete Bürgertruppe. Die erste ur-
kundliche Erwähnung einer Tätigkeit Torgauer bewaffneter Bürger bringt ein Vertrag der Stadt Torgau mit den
Städten Oschatz und Grimma vom 11. April 1344. Die Abschrift der Urkunde befindet sich in dem Rats-Privile-
gien-Buche.
Mit dem Bau des Schlosses Hartenfeld an Stelle der alten Schutzburg gegen die Wenden und der Erhebung
Torgaus zur Residenz durch die Kurfürsten Friedrich den Weisen, Johann Friedrich den Großmütigen und Johann
den Beständigen wuchs der Wohlstand der Bewohner Torgaus.
Als Gegenleistung jedoch ruhte in Torgau auf den einzelnen Grundstücken eine Art Wehrpflicht. Auf Verlangen
des Kurfürsten hatten die Grundstücke je nach ihrer Größe entweder einen Reiter oder einen Fußmann zu stellen
und in Wehr und Waffen zu unterhalten. Nicht nur zur Verteidigung der Stadt, sondern sie hatten auch dem Kur-
fürsten nach auswärts Heeresfolge zu leisten.
Von dieser Verpflichtung zur Heeresfolge sind die Torgauer Bürger auch nicht verschont geblieben.
Im Jahre 1542 entbot Kurfürst Johann Friedrich die Bewaffneten von Torgau zur Teilnahme an der Wurzener
Fehde. Torgau stellte hierzu 150 Reiter und 360 Fußleute.
1546 stellte Torgau 700 wehrhafte Bürger zur Verteidigung Wittenbergs. Für die Teilnahme an diesen Heeres-
zügen erhielten die Bürger aus der kurfürstlichen Rüstkammer die noch heute in einer Anzahl im Besitz der Bürger-
Geharnischten-Kompagnie befindlichen Rüstungen und Waffen.
Mit dem Aufkommen der stehenden Heere schwand die aktive Tätigkeit der Bürger mehr und mehr, und so wurden
sie nur noch zu festlichen Gelegenheiten, z. B. Hochzeiten und Fürstenbesuchen, seitens des Hofes herangezogen. Jedoch
rückten die bewaffneten Bürger zur Erhaltung der Waffentüchtigkeit alljährlich um die Pfingstzeit mehrere Tage in
ein Zeltlager außerhalb der Stadt, um sich in der Waffenfertigkeit zu üben.
Aus diesen Waffenübungen bildete sich dann das alle zwei Jahre — und zwar in den geraden Kalenderjahren —
vom Donnerstag bis Sonntag nach Pfingsten stattfindende Historische Auszugsfest! Das nächste findet im Jahre
1934 statt. Zu diesem Fest werden noch heute die alten Rüstungen und Waffen von den Bürgern getragen (wie die
beiliegenden Bilder zeigen).
Die Rüstung der Geharnischten besteht aus Harnisch, Vorder- und Rückenteil, Halsberge mit halben oder vollen
Armen, Krebs mit Schenkelschürzen bei den Fußleuten, Krebs mit Beinschienen bei den Reitern. Der Bestand der
teils in den Händen der Mitglieder, teils in der Rüstkammer aufbewahrten Rüstungen, beträgt noch ca. 80 Stück und
eine Anzahl Rücken- und Vorderharnische ohne Halsberge und Helme.
In früherer: Jahren sind durch man-
gelhafte Aufsicht viele Stücke, und gerade
nicht die schlechtesten, abhanden gekommen.
Als Waffen sind vorhanden: Schwerter,
Hellebarden, Piken, Streitkolben, Morgen-
sterne, Schilder und Streitbeile. Die Rüstun-
gen stammen teils aus Anfang, teils Ende
des 16. Jahrhunderts, außerdem siud noch
einige Stücke aus dem Anfang des 17. Jahr-
hunderts vorhanden. Die Helme sind meist
Burgunderhelme mit Kamm, Wangenklap-
pen und Nackenschutz, außerdem einige Eisen-
klappen und einige Marione. Unter den
Rüstungen sind mehrere, welche als sehr
gute Arbeiten zu gelten haben, und dürften
dieselben ihren Ursprung auf die Torgauer
Harnischkammer zurückführen, als deren
Plattner im Jahre 1556 Siegmund Rosen-
berger und Thomas Göritz nebst den Rüst-
meistern Stempel und Pollak genannt wer-
den. Rosenberger und Pollak haben auch



Phot. Ernst Kuntzc.
 
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