Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 34.1933

DOI Artikel:
Wagner, G.: Die Georgenburg in Kleinheubach
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.35023#0036
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
32


Die Georgenburg Ln Kleinheubach.
(Aus dem 4- Kapitel der „Ortsgeschkchtc Kleinheubach").
ils nach Philipp von Rienecks Tod das Amt Wildenstein und mit ihn: der Ort Kleinheubach an die Grafen
^ von Erbach gefallen war, da beschloß in seiner Freude über den neuen Besitz Graf Georg III., von
1569 au Alleinherr aller Erbacher Lande, dort in Kleinheubach, einzig schön mitten inue zwischen Spessart
! und Odenwald gelegen, auch unter seinen neuen Untertanen Wohnung zu nehmen. Ohne des Stamm-
sitzes im Mümlingtal zu vergessen, sollte fortan, sei's der jüngeren, sei's der älteren Familienglieder,
eines hier Aufenthalt nehmen. Für beide bot das neue Besitztum seine besonderen Reize. Nur eines fehlte, und das
erwies sich je länger desto mehr als ein fühlbarer Mangel: ein Schloß, wie man's drüben in Erbach und Fürstenau
sein eigen nannte.
Das „feste Haus" derer von Rieneck hat wohl seinem Namen alle Ehre gemacht. Es war den umwohnenden
Untertanen an dem hochwasserfreien Platz, da es stand, umgeben von einem Mauerwerk, das allen Waffen der da-
maligen Zeit trotzte, Zuflucht und Schutz gewesen. Den Zwecken aber, denen es nunmehr dienen sollte, entsprach
es nicht.
Wenn die von Rieneck nach Heubach kameu, geschaht zumeist der Jagd halben. Waren sie dabei, wie meist,
von großer Gesellschaft umgeben, also daß die immerhin beschränkten Räume ihres Hauses nicht ausreichten, so waren
ja die von Rüd gehalten, der Rienecker Gäste in ihrer Burg aufzunehmen. Waren es nur der Grafen Amts- und
Forstleute mit ihren Jägern, die da kamen, so reichte der Rienecker Haus wohl aus. Längerer Aufenthalt kam hier
selten in Betracht. Solchen nahmen Rienecks Dauergäste drüben im Rienecker Stammschloß an der Sinn. Mit
dem Übergang an das gräfliche Haus Erbach war das alles anders geworden.
Jetzt kamen Aufenthaltszeiten von Wochen und Monaten in Betracht. Das Kleinheubacher Maintal lockte der
Gäste gar viele an. Oft kamen solche mit zahlreicher Begleitung. Auch von hohem Besuch wissen die Rechnungen
jener Zeit zu erzählen.
Im Jahre 1562 kehrten der Herzog von Bayern und Kaiser Ferdinand I. auf der Reise nach Frankfurt fünf Tage
lang hier bei Graf Georg gastlich ein. Die Witwe Philipps von Rieneck, eine geborne Gräfin von Erbach, wird immer
von neuem unter den Gästen in Heubach genannt. Neun Personen werden gelegentlich als deren Begleitung auf-
gezählt. Mehr denn zwanzig Personen, unter ihnen fast regelmäßig der hiesige Pfarrherr, saßen da des Mittags oder
des Abends zu Tisch.
Das feste Haus derer von Rieneck genügte unter diesen Verhältnissen den Ansprüchen nicht mehr. Kein Wunder,
daß da einen: so unternehmungslustigen Manne, wie dem Grafen Georg, der Gedanke kam, durch einen Neubau
den beklagten llbelständen abzuhelfen.
„Ins freie Feld" sollte er im Gegensatz zu dem mitten im Dorf gelegenen Haus der Rienecker zu stehen kommen.
„Dem Flecken Kleinheubach zu llffnahme und gedeihlicher Wohlfahrt und seinen Erben und Nachkommen zu Nutz
und Gutem" sollte es geschehen.
Der Gedanke, sich damit von der Einwohnerschaft abzusondern, lag ihm ferne. Er hatte dem vorzubeugen
bereits allerhand Maßregeln getroffen. Das alte „obere Tor", das bis dahin den Ort an der Judengasse abschloß,
hatte er abbrechen lassen und bis herauf verlegt, wo jetzt das Gasthaus zum Hirschen steht. Gleichzeitig hatte er einen
Aufruf erlassen, sich auf dem freien Platz vom ehemaligen obern Tor bis herauf zum neuen — er hatte ihn „Burg-
platz" getauft und die Leute, seine Bewohner, die „Burgplätzler" — anzubauen. Lust dazu zu machen, hatte er
jedem, der auf seinen Vorschlag einzugehen bereit sei, unentgeltlich einen Bauplatz angeboten und außerdem „Be-
freiung von der Leibeigenschaft und allen derselben anhängenden Leibsrechten und Beschwerungen" verwilligt. Er
hat es nicht vergebens getan.
11m den neuen Teil des Orts als dem bisherigen zugehörig zu kennzeichnen, ihm auch gleichen Schutz mit den
anderen zu gewähren, ließ ihn der Graf mit einer neuen Ringmauer umgeben. 1543 Schuh Mauerwerk, 13 Schuh
hoch und 2^/z Schuh dick, war da aufzuführen, 58625 behauene Steine waren dazu nötig. Den Schuh zu 0,29 m
gerechnet, kamen 447 m zur Ausführung. Den Abschluß der Mauer bildete das neue obere Tor; gegen den Main zu
eine besondere Schutzwehr, die „Bastey" genannt. Ein anderes Tor, mit aufgesetztem Torturm über dem Torbogen,
groß in Stein gehauen, das gräfliche Wappen, führte in der Mitte des Burgplatzes, dort von zwei Lindenbäumen
zur Rechten und zur Linken flankiert, durch die neue Ringmauer hindurch zu dem neuen Burgbau, der sich dahinter
erhob. Der Bauherr hatte ihn nach seinem Namen „Georgenburg" getauft.
Sie stand an demselbigen Platz wie das gegenwärtige fürstliche Schloß. Ein charakteristischer Teil der alten Burg
ist mit dem derzeitigen Schloß eng verbunden, „der Schneckenturm". Er spielt in allen „Verdings" (Kosten-
voranschlägen) und Rechnungen eine auffällige Rolle. An ihn lehnt sich der Bau des nachmaligen Schlosses also an,
daß jeder erkennen muß, hier wollte sichtbarlich die enge Verbundenheit zwischen Erbacher und Löwensteiner Zeit
dargestellt werden. Er führt noch heute im Eck des Mittelbaus und rechten Flügeltrakts durch alle Stockwerke hinauf
bis unter das Dach.
 
Annotationen