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sich der Wartburg vergleichen, denn sie allein stellt Sinnbild und Leben zugleich dar. Wie die Nornen auf dem Nor-
uensteiu, so spinnen sich hier Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft einander den Lebensfaden zu. Darin ist sie
einzig, ja, auch außerhalb der deutschen Grenze läßt sich keine Stätte ihr an die Seite stellen.
Burgen haben für uns zum Träumen geneigte Deutsche — bei aller Sachlichkeit vermögen wir immer noch
zu träumen, was unfern Nachbarn besonders jenseits des Rheins stets unbegreiflich bleiben wird! — Burgen haben
etwas geheimnisvoll — Anziehendes. Burgenromantik und mit ihr eng verbunden: deutsche Waldromantik sind nicht
von heute und von gestern. Sie sind dein deutschen Menschen seit langem vertraut. Denken Sie an Dürer, an Cranach,
Altdorfer und gar viele andere deutsche Meister auch neuerer Zeit. Die Wurzeln romantischer Gesinnung reichen aber
weit tiefer ins Mittelalter zurück. Gerade für
die Wartburg gilt, daß der Glaube an ihre ma-
gische Bedeutung schon frühzeitig Wurzeln
schlug; geben uns doch so manche Thüringer
Chronisten Beschreibungen ihrer Gründung, bei
denen Sage und Geschichte, Dichtung und Wahr-
heit sich wunderlich mischen. Dem Geschichts-
schreiber wird die wortkarge erste Erwähnung
der Burg als dem „eusisltunr guocl ciieitur ^Vart-
kerZ" sicher wertvoll sein. Sie erfolgte durch
Bruno, einem Zeitgenossen der Kämpfe zwischen
Heinrich IV. und den verbündeten Sachsen und
Thüringern im Jahre 1080, wenige Jahre nach
der Gründung der Burg. Jeder, dem Geschichte
mehr als Zahlen und Tatsachen, mehr als nur
urkundlich Beglaubigtes bedeutet, wird gern an
die alten Chronikenschreiber sich wenden, die so
vielerlei und so ansprechend aus Wartburgs Ver-
gangenheit zu erzählen wissen. Diese alten Er-
zähler, mögen sie nun in dumpfer Klosterzelle zu
Erfurt oder im waldverlorenen Reinhardsbrunn
oder wo sonst immer geschrieben haben, berichte):
von den Thüringer Landgrafen und ihrer Wart-
burg, freilich nicht mit dem Verantwortungs-
gefühl des neuzeitlichen Geschichtsschreibers,
aber mit der Fabulierlust, die Erbgut des
Deutschen, besonders des Thüringers, und nicht
sein schlechtestes ist! Daß von diesen mittel-
alterlichen Berichterstattern, deren älteste wohl
noch dein 12. Jahrhundert angehören, die
Gründungsgeschichte der Wartburg farbenbunt
ausgeschmückt wurde, ist nicht zu verwundern.
Welche mittelalterliche Burggründung von eini-
ger geschichtlichen Bedeutung würde uns nicht
mit mancherlei wunderlichen Erzählungen ver-
brämt, überliefert. Allein ein so dichtes, blüten-
reiches Gerank anmutiger oder auch düsterer
Sagen umspinnt wohl keine andere mittelalter-
liche Burg gleichwie diese. Sie war eben schon
im Mittelalter als eine denkwürdige- Stätte im
Volksbewußtsein fest verankert. Das bezeugen
unter anderem die verschiedenen Namen, die man als Kosenamen des Volkes für ihre Burg bezeichnen könnte:
das „oustimin insxpuAnabils", „nobile oastruin VVartbsro", „das Haupt dieses Landes".
Der Geschichtsschreiber muß sich allerdings mit der Tatsache begnügen, daß die Wartburg zu Ende des
11. Jahrhunderts schon bestanden haben muß, da sie, wie gesagt, von einem Zeitgenossen erwähnt wird. Doch
das Volk, darin dem Kinde vergleichbar, verlangt aus künstlerischem Drang etwas mehr als nur nüchterne
Zahlenangabeu. Ihm kommen nun die Erzähler entgegen, die von einem Jagdabenteuer des Gründers, Ludwigs
des Springers, von einer List bei Besitzergreifung des Burgfelsens zu berichten wissen.
Am Anfang der Wartburggeschichte steht die Jagd. Das ist echt deutsch! Nur im Deutschen kennt man eine
Jägersprache von solcher Reichhaltigkeit, ein Jägerlatein, weiß etwas vom „Edlen Weidwerk". Bei keinem anderen
Volk wird die Jagd so sehr gepflegt, ist sie so sehr zum ernsten, ja fast heiligen Handwerk geworden, wie beim Deut-
Alte Musik auf der Marksburg: Blockflötenspielerin.
sich der Wartburg vergleichen, denn sie allein stellt Sinnbild und Leben zugleich dar. Wie die Nornen auf dem Nor-
uensteiu, so spinnen sich hier Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft einander den Lebensfaden zu. Darin ist sie
einzig, ja, auch außerhalb der deutschen Grenze läßt sich keine Stätte ihr an die Seite stellen.
Burgen haben für uns zum Träumen geneigte Deutsche — bei aller Sachlichkeit vermögen wir immer noch
zu träumen, was unfern Nachbarn besonders jenseits des Rheins stets unbegreiflich bleiben wird! — Burgen haben
etwas geheimnisvoll — Anziehendes. Burgenromantik und mit ihr eng verbunden: deutsche Waldromantik sind nicht
von heute und von gestern. Sie sind dein deutschen Menschen seit langem vertraut. Denken Sie an Dürer, an Cranach,
Altdorfer und gar viele andere deutsche Meister auch neuerer Zeit. Die Wurzeln romantischer Gesinnung reichen aber
weit tiefer ins Mittelalter zurück. Gerade für
die Wartburg gilt, daß der Glaube an ihre ma-
gische Bedeutung schon frühzeitig Wurzeln
schlug; geben uns doch so manche Thüringer
Chronisten Beschreibungen ihrer Gründung, bei
denen Sage und Geschichte, Dichtung und Wahr-
heit sich wunderlich mischen. Dem Geschichts-
schreiber wird die wortkarge erste Erwähnung
der Burg als dem „eusisltunr guocl ciieitur ^Vart-
kerZ" sicher wertvoll sein. Sie erfolgte durch
Bruno, einem Zeitgenossen der Kämpfe zwischen
Heinrich IV. und den verbündeten Sachsen und
Thüringern im Jahre 1080, wenige Jahre nach
der Gründung der Burg. Jeder, dem Geschichte
mehr als Zahlen und Tatsachen, mehr als nur
urkundlich Beglaubigtes bedeutet, wird gern an
die alten Chronikenschreiber sich wenden, die so
vielerlei und so ansprechend aus Wartburgs Ver-
gangenheit zu erzählen wissen. Diese alten Er-
zähler, mögen sie nun in dumpfer Klosterzelle zu
Erfurt oder im waldverlorenen Reinhardsbrunn
oder wo sonst immer geschrieben haben, berichte):
von den Thüringer Landgrafen und ihrer Wart-
burg, freilich nicht mit dem Verantwortungs-
gefühl des neuzeitlichen Geschichtsschreibers,
aber mit der Fabulierlust, die Erbgut des
Deutschen, besonders des Thüringers, und nicht
sein schlechtestes ist! Daß von diesen mittel-
alterlichen Berichterstattern, deren älteste wohl
noch dein 12. Jahrhundert angehören, die
Gründungsgeschichte der Wartburg farbenbunt
ausgeschmückt wurde, ist nicht zu verwundern.
Welche mittelalterliche Burggründung von eini-
ger geschichtlichen Bedeutung würde uns nicht
mit mancherlei wunderlichen Erzählungen ver-
brämt, überliefert. Allein ein so dichtes, blüten-
reiches Gerank anmutiger oder auch düsterer
Sagen umspinnt wohl keine andere mittelalter-
liche Burg gleichwie diese. Sie war eben schon
im Mittelalter als eine denkwürdige- Stätte im
Volksbewußtsein fest verankert. Das bezeugen
unter anderem die verschiedenen Namen, die man als Kosenamen des Volkes für ihre Burg bezeichnen könnte:
das „oustimin insxpuAnabils", „nobile oastruin VVartbsro", „das Haupt dieses Landes".
Der Geschichtsschreiber muß sich allerdings mit der Tatsache begnügen, daß die Wartburg zu Ende des
11. Jahrhunderts schon bestanden haben muß, da sie, wie gesagt, von einem Zeitgenossen erwähnt wird. Doch
das Volk, darin dem Kinde vergleichbar, verlangt aus künstlerischem Drang etwas mehr als nur nüchterne
Zahlenangabeu. Ihm kommen nun die Erzähler entgegen, die von einem Jagdabenteuer des Gründers, Ludwigs
des Springers, von einer List bei Besitzergreifung des Burgfelsens zu berichten wissen.
Am Anfang der Wartburggeschichte steht die Jagd. Das ist echt deutsch! Nur im Deutschen kennt man eine
Jägersprache von solcher Reichhaltigkeit, ein Jägerlatein, weiß etwas vom „Edlen Weidwerk". Bei keinem anderen
Volk wird die Jagd so sehr gepflegt, ist sie so sehr zum ernsten, ja fast heiligen Handwerk geworden, wie beim Deut-
Alte Musik auf der Marksburg: Blockflötenspielerin.