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geschichtliche Menschen, die sagenbildend wur-
den, bei allen sehen wir Magie am Werk.
Was den Menschen, die um Luther waren,
die Wartburg bedeutete, was sie ihm selbst in
späteren Jahren noch war, wissen wir nicht.
Ihrer erinnert hat sich der Reformator gewiß
bis zu seinem Alter, erzählt er doch noch in
seinem letzten Lebensjahre die Geschichte von
der Tenfelserscheinung. Er gebraucht dabei die
kernigen Worte: „Aber das ist die beste Kunst,
ihn zu vertreiben, wenn man Christus anruft und
den Teufel verachtet, das kann er nicht leiden."
In den kriegerischen Zeiten des 16. und
17. Jahrhunderts genoß die Wartburg mehr
Ansehen als Landesfestung, gelegentlich auch
als sicherer Gewahrsam für gefährdetes Eigen-
tum denn als Sagenhort, obgleich auch spätere
Chronisten nicht müde wurden, alle die alten
Thüringer Sagen in ihre oft ebenso weit-
schweifig wie trocken dargebotenen Berichte ein-
zuflechten. Später verlor die Wartburg mit
Erlöschen des Eisenacher Zweiges des sächsischen
Herzoghauses immer mehr an Bedeutung, ja
wurde offensichtlich vernachlässigt, geriet in
Verfall. Wir sind in der glücklichen Lage, an
der Hand genauer Aufzeichnungen den allmäh-
lichen Abbau der Wartburg durch Jahrhunderte
verfolgen zu können. Freilich nicht nur Ab-
bau, sondern auch Wiederherstellung. Bewohnt
wurde die Burg während des 18. Jahrhunderts
kaum noch, bis ihr im letzten Jahrzehnt jenes
Jahrhunderts der Herzog Carl August wieder
seine Sorge zuwandte.
Neben der zunehmenden Verödung der
Wartburg und — wie wir hinzufügen können —
vieler deutscher Burgen im 18. Jahrhundert,
dem: der Nationalismus jener Zeit stand allen
Resten des Mittelalters ziemlich verständnislos
gegenüber, aber ging her eine wachsende Erkenntnis der malerischen Reize eben jener Zeugen der Vergangenheit. Die
Maler entdeckten die Schönheiten des eigenen Vaterlandes, nachdem sie schon längst allen. Spuren des klassische»
Altertums besonders in Italien liebevoll nachgegangen waren. Führer in dieser ersten romantischen Periode, wie
wir sie nennen können, war Goethe. Seine berühmten Worte über das Straßburger Münster sind für die Bewer-
tung nordisch-mittelalterlicher Kunst richtunggebend gewesen. Die Wartburg-Landschaft fand er bei seinen: ersten
Besuch in Wilhelmstal und Eisenach in: September 1777 „überherrlich". Am 13. September findet sich in seinen:
Tagebuch die kurze Bemerkung: Conseil. Alleine gesse», »ach Tisch auf die Wartburg gezogen. An: selben Abend
noch schrieb er voller Begeisterung an Charlotte von Stein: „Hier wohn ich nun, Liebste, und singe Psalmen dem
Herrn, der mich aus Schmerzen und Enge wieder in Höhe und Herrlichkeit gebracht hat." Und weiter: „Wenn ich
Ihnen nur diesen Blick, der mich nur kostet aufzustehu vom Stuhl, Hinübersegnei: könnte! In dem grausen linden
Dämmer des Monds die tiefen Gründe, Wüschen, Büsche, Wälder und Waldblößen, die Felsenabgünge davor und
hinten die Wände, und wie der Schatten des Schloßbergs und Schlosses unten alles finster hält und drüben an den
sachten Wänden sich noch anfaßt, wie die nackten Felsspitzen im Monde röten, und die lieblichen Auen und Täler ferner
hinunter, und das weite Thüringen hinterwärts in: Dämmer sich den: Himmel mischt."
Goethe hat das Zauberische dieser Thüringer Landschaft sogleich erfaßt, ii: Wortei: noch künstlerischer als im
gezeichneten Bilde, zu den: er sich schon am erste:: Abend angeregt fand: „Wenn's möglich ist zu zeichnen, wähl ich
mir eü: beschränkt Eckchen; denn die Natur ist zu weit herrlich hier auf jeden Blick hinaus! Aber auch was für Eck-
chens hier! — O, man sollte weder zeichne:: noch schreiben! —"
So dämmerte schon im 18. Jahrhundert eine Romantik auf — nicht nur bei Goethe —, die nur vorüber-
gehend durch die Sonne Griechenlands und Italiens überstrahlt wurde, dann aber mit ihrem Mürchendunkel die
weiße, oft so kalte Marmorschöne des Klassizismus überschattete. Was kounte die „edle Einfalt" und „stille Größe"
Die Wartburg: Elisabethengang mit Schützenerker.
geschichtliche Menschen, die sagenbildend wur-
den, bei allen sehen wir Magie am Werk.
Was den Menschen, die um Luther waren,
die Wartburg bedeutete, was sie ihm selbst in
späteren Jahren noch war, wissen wir nicht.
Ihrer erinnert hat sich der Reformator gewiß
bis zu seinem Alter, erzählt er doch noch in
seinem letzten Lebensjahre die Geschichte von
der Tenfelserscheinung. Er gebraucht dabei die
kernigen Worte: „Aber das ist die beste Kunst,
ihn zu vertreiben, wenn man Christus anruft und
den Teufel verachtet, das kann er nicht leiden."
In den kriegerischen Zeiten des 16. und
17. Jahrhunderts genoß die Wartburg mehr
Ansehen als Landesfestung, gelegentlich auch
als sicherer Gewahrsam für gefährdetes Eigen-
tum denn als Sagenhort, obgleich auch spätere
Chronisten nicht müde wurden, alle die alten
Thüringer Sagen in ihre oft ebenso weit-
schweifig wie trocken dargebotenen Berichte ein-
zuflechten. Später verlor die Wartburg mit
Erlöschen des Eisenacher Zweiges des sächsischen
Herzoghauses immer mehr an Bedeutung, ja
wurde offensichtlich vernachlässigt, geriet in
Verfall. Wir sind in der glücklichen Lage, an
der Hand genauer Aufzeichnungen den allmäh-
lichen Abbau der Wartburg durch Jahrhunderte
verfolgen zu können. Freilich nicht nur Ab-
bau, sondern auch Wiederherstellung. Bewohnt
wurde die Burg während des 18. Jahrhunderts
kaum noch, bis ihr im letzten Jahrzehnt jenes
Jahrhunderts der Herzog Carl August wieder
seine Sorge zuwandte.
Neben der zunehmenden Verödung der
Wartburg und — wie wir hinzufügen können —
vieler deutscher Burgen im 18. Jahrhundert,
dem: der Nationalismus jener Zeit stand allen
Resten des Mittelalters ziemlich verständnislos
gegenüber, aber ging her eine wachsende Erkenntnis der malerischen Reize eben jener Zeugen der Vergangenheit. Die
Maler entdeckten die Schönheiten des eigenen Vaterlandes, nachdem sie schon längst allen. Spuren des klassische»
Altertums besonders in Italien liebevoll nachgegangen waren. Führer in dieser ersten romantischen Periode, wie
wir sie nennen können, war Goethe. Seine berühmten Worte über das Straßburger Münster sind für die Bewer-
tung nordisch-mittelalterlicher Kunst richtunggebend gewesen. Die Wartburg-Landschaft fand er bei seinen: ersten
Besuch in Wilhelmstal und Eisenach in: September 1777 „überherrlich". Am 13. September findet sich in seinen:
Tagebuch die kurze Bemerkung: Conseil. Alleine gesse», »ach Tisch auf die Wartburg gezogen. An: selben Abend
noch schrieb er voller Begeisterung an Charlotte von Stein: „Hier wohn ich nun, Liebste, und singe Psalmen dem
Herrn, der mich aus Schmerzen und Enge wieder in Höhe und Herrlichkeit gebracht hat." Und weiter: „Wenn ich
Ihnen nur diesen Blick, der mich nur kostet aufzustehu vom Stuhl, Hinübersegnei: könnte! In dem grausen linden
Dämmer des Monds die tiefen Gründe, Wüschen, Büsche, Wälder und Waldblößen, die Felsenabgünge davor und
hinten die Wände, und wie der Schatten des Schloßbergs und Schlosses unten alles finster hält und drüben an den
sachten Wänden sich noch anfaßt, wie die nackten Felsspitzen im Monde röten, und die lieblichen Auen und Täler ferner
hinunter, und das weite Thüringen hinterwärts in: Dämmer sich den: Himmel mischt."
Goethe hat das Zauberische dieser Thüringer Landschaft sogleich erfaßt, ii: Wortei: noch künstlerischer als im
gezeichneten Bilde, zu den: er sich schon am erste:: Abend angeregt fand: „Wenn's möglich ist zu zeichnen, wähl ich
mir eü: beschränkt Eckchen; denn die Natur ist zu weit herrlich hier auf jeden Blick hinaus! Aber auch was für Eck-
chens hier! — O, man sollte weder zeichne:: noch schreiben! —"
So dämmerte schon im 18. Jahrhundert eine Romantik auf — nicht nur bei Goethe —, die nur vorüber-
gehend durch die Sonne Griechenlands und Italiens überstrahlt wurde, dann aber mit ihrem Mürchendunkel die
weiße, oft so kalte Marmorschöne des Klassizismus überschattete. Was kounte die „edle Einfalt" und „stille Größe"
Die Wartburg: Elisabethengang mit Schützenerker.