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Max Slevogt: Pro domo

U5

ist sie charakteristisch für Renoir, und man versteht,
daß eine Natur wie die seine nicht über seinen Schatten
Springen kann und alles Bewegte, Wilde ausschaltet.
Urteile sind wie Bausteine zum Tempel des — un-
bekannten Gottes. Es gibt keine Ästhetik aus Erz,
nur aus weichem Wachs.
Einem gotischen Dome vergleichbar, immer neue
Überraschungen enthüllend, neue Pfeiler ansetzend, die
nach oben streben, immer unvollendet, jederzeit fertig,
erwächst die Kunst, von der uns nur immer ein kleiner
Teil zu übersehen gegönnt ist.
Wenn ich hier dem Worte Illustration eine höhere
Bedeutung zu geben versuche, ziehe ich alle Darstel-
lungen, gemalt oder gezeichnet, zu dieser Einheit zu-
sammen: Kunst. Zwei unergründbaren Quellen scheint
sie zu entspringen: der Einbildungskraft, die das nie
so Gesehene und zu Sehende heraufbeschwört, wie
Faust Helena (wir bezeichnen sie im allgemeinen mit
dem Worte Phantasie) — und noch ist der Weg aus
diesem Land der Schatten weit —, und der Gestaltungs-
kraft, die dem entweder so vor das geistige Auge Ge-
rufenen oder dem vor dem leiblichen Auge Stehenden
suggestive Ausdrucksform verleiht. Diese Schwester —
Phantasie hat niemand vorher so richtig präzisiert wie
Liebermann in seiner Schrift „Die Phantasie in der
Malerei“.
Je mehr diese Kräfte sich durchdringen, desto voll-
kommener auch — die Illustration.
 
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