ARME UND REICHE SAMMLER/VON EMIL
WALDMANN
Man könnte meinen, daß durch die Verarmung
Deutschlands die Zukunft unseres Kunstsammelns
gefährdet sei. Die unberühmte Mrs. Siddons von Rey-
nolds (die berühmte ist von Gainsborough), Mrs. Siddons
als tragische Muse, ein ziemlich mäßiges Bild, ward
im Jahre 1919 für über eine Million Mark aus England
nach Amerika verkauft (zu Friedenskurs gerechnet).
Wenn also schon derartige Bilder, die unsere Museen
vielleicht gar nicht einmal haben möchten, schon so
viel Geld kosten — wie sollen wir mit unserer Armut
da noch auf dem internationalen Kunstmarkt kon-
kurrieren können? So fragt man und resigniert.
Aber es ist nicht so schlimm. Zunächst: wir brau-
chen gar nicht mehr auf dem internationalen Markt
zu kaufen, so schön es wäre, ein paar späte Tintorettos
oder einen sehr schönen Tizian im Berliner Museum
zu haben. Wir haben schöne alte Bilder. Damit müssen
wir nun einmal genug haben, und wenn es uns gelingt,
alles an nationaler Kunst, was jetzt abzuwandern droht,
für Deutschland zu retten, können wir zufrieden sein.
Wir, das heißt: Museen und Sammler. Dann aber,
wenn nur noch sehr wenige Menschen imstande sein
werden, teure Meisterwerke zu erwerben, wenn Greco
und Cdzanne, Rembrandt und Renoir zu teuer sind
für Deutschland, werden unsere Kunstfreunde sich
in viel größerem Maße der Kunst der Gegenwart,
und zwar der deutschen Kunst der Gegenwart, zu-
wenden.
WALDMANN
Man könnte meinen, daß durch die Verarmung
Deutschlands die Zukunft unseres Kunstsammelns
gefährdet sei. Die unberühmte Mrs. Siddons von Rey-
nolds (die berühmte ist von Gainsborough), Mrs. Siddons
als tragische Muse, ein ziemlich mäßiges Bild, ward
im Jahre 1919 für über eine Million Mark aus England
nach Amerika verkauft (zu Friedenskurs gerechnet).
Wenn also schon derartige Bilder, die unsere Museen
vielleicht gar nicht einmal haben möchten, schon so
viel Geld kosten — wie sollen wir mit unserer Armut
da noch auf dem internationalen Kunstmarkt kon-
kurrieren können? So fragt man und resigniert.
Aber es ist nicht so schlimm. Zunächst: wir brau-
chen gar nicht mehr auf dem internationalen Markt
zu kaufen, so schön es wäre, ein paar späte Tintorettos
oder einen sehr schönen Tizian im Berliner Museum
zu haben. Wir haben schöne alte Bilder. Damit müssen
wir nun einmal genug haben, und wenn es uns gelingt,
alles an nationaler Kunst, was jetzt abzuwandern droht,
für Deutschland zu retten, können wir zufrieden sein.
Wir, das heißt: Museen und Sammler. Dann aber,
wenn nur noch sehr wenige Menschen imstande sein
werden, teure Meisterwerke zu erwerben, wenn Greco
und Cdzanne, Rembrandt und Renoir zu teuer sind
für Deutschland, werden unsere Kunstfreunde sich
in viel größerem Maße der Kunst der Gegenwart,
und zwar der deutschen Kunst der Gegenwart, zu-
wenden.