ÜBER DAS ILLUSTRIEREN / VON MAX
J. FRIEDLÄNDER
Die Illustration ist als Lockmittel, Aushängeschild
und Aufputz vielen Verlegern wert geworden.
Das geschmückte Buch wird als „Kunstwerk“ gekauft
und gesammelt, freilich dabei nicht selten seinem eigent-
lichen Beruf entfremdet und statt gelesen durchblättert
und besehen. Allzuviel wird illustriert und ohne
Wahl.
Nicht alle Texte sind in demselben Grade geeignet,
illustriert zu werden; nicht jeder tüchtige oder be-
rühmte Maler ist befähigt, zu illustrieren Bei einiger
Überlegung, aus der allgemach reich gewordenen Er-
fahrung kann etwas wie Gesetzmäßigkeit ermittelt und
vorausgesagt werden, ob die Einfügung von Bildern
hier und dort förderlich oder überflüssig und von Übel
sein würde, wenngleich das Genie immer wieder solche
Grenzbestimmungen verschiebt.
Der Buchtext fordert von dem Leser Bereitschaft,
den zeitlichen Weg mitzuschreiten, und regt seine
schauende Phantasie zu eigener Tätigkeit an; das Bild
verlangt Empfänglichkeit von anderer Art, befriedigt
die Schaulust, zwingt aber den Geist zu Sprung und
Verknüpfung. In wohltuender Abwechslung werden
die Organe des Lesers, der ein illustriertes Buch vor
sich hat, in Anspruch genommen und streben selb-
ander, sich gegenseitig unterstützend, einem Ziele
zu. So im günstigsten Falle. Nicht selten aber er-
gibt sich Widerspruch und Diskrepanz, so daß der
Text den Genuß am Bilde mindert oder — häufiger
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J. FRIEDLÄNDER
Die Illustration ist als Lockmittel, Aushängeschild
und Aufputz vielen Verlegern wert geworden.
Das geschmückte Buch wird als „Kunstwerk“ gekauft
und gesammelt, freilich dabei nicht selten seinem eigent-
lichen Beruf entfremdet und statt gelesen durchblättert
und besehen. Allzuviel wird illustriert und ohne
Wahl.
Nicht alle Texte sind in demselben Grade geeignet,
illustriert zu werden; nicht jeder tüchtige oder be-
rühmte Maler ist befähigt, zu illustrieren Bei einiger
Überlegung, aus der allgemach reich gewordenen Er-
fahrung kann etwas wie Gesetzmäßigkeit ermittelt und
vorausgesagt werden, ob die Einfügung von Bildern
hier und dort förderlich oder überflüssig und von Übel
sein würde, wenngleich das Genie immer wieder solche
Grenzbestimmungen verschiebt.
Der Buchtext fordert von dem Leser Bereitschaft,
den zeitlichen Weg mitzuschreiten, und regt seine
schauende Phantasie zu eigener Tätigkeit an; das Bild
verlangt Empfänglichkeit von anderer Art, befriedigt
die Schaulust, zwingt aber den Geist zu Sprung und
Verknüpfung. In wohltuender Abwechslung werden
die Organe des Lesers, der ein illustriertes Buch vor
sich hat, in Anspruch genommen und streben selb-
ander, sich gegenseitig unterstützend, einem Ziele
zu. So im günstigsten Falle. Nicht selten aber er-
gibt sich Widerspruch und Diskrepanz, so daß der
Text den Genuß am Bilde mindert oder — häufiger
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