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Verlag Bruno Cassirer
Almanach: auf das Jahr ... — 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.70232#0153
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H. Tessenow: Das Ornament

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ängstlich gesagt — das Damenhafte, kann ganze Welten
äußern, aber hat immer eine sehr große Scheu, das zu
tun oder ist im Ausdruck immer sehr unbestimmt oder
fordert immer starke Übersetzungen; es mangelt dem
Ornament am Tatwillen, und das unterscheidet es von
dem, was wir so gewöhnlich große Arbeit nennen;
wenn wir etwas sogenannt Bedeutendes arbeiten, so ist
immer von uns gefordert, daß wir uns stark auf unser
Arbeiten konzentrieren; das Ornament ist aber gegen
das Stirnrunzeln, will im Arbeiten spielen; so müßten
wir reine Götter sein, wenn wir mit dem Ornamen-
tieren selbst etwas Rechtes fertig bringen könnten.
Es ist voraufgehend schon mit den Ausführungen
über die technische Form diese mit dem Ornament
verglichen, was hier noch einmal wiederholt sei: Auch
die technische Form (damit sie selbst uns etwas sei)
fordert starke Übersetzungen; bei ihr geschieht die
nötige Übersetzung besonders durch unser Wissen, bei
dem Ornament besonders durch unser Sehen; wir schätzen
beide Übersetzungsarten gleich hoch oder wir schätzen
die technische Form als solche so hoch oder so niedrig
wie das Ornament; aber ungefähr: wenn wir von dem
Ornament die Form subtrahieren, bleibt nichts mehr
übrig; während wenn wir von der technischen Form
die Form subtrahieren, noch das Technische bleibt.
Ein Mann hatte einmal den ganzen Tag über in
der Weltgeschichte herumgewirtschaftet und hatte nun
Feierabend gemacht und hatte eben sehr gut gegessen
und getrunken und saß nun so da, sehr zufrieden, und
sehr starker Übersetzung finden, so daß dort alles Begriffliche
immer möglichst ausgeschaltet ist.
 
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