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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 2.1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.6484#0002
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50 —

Am 12. Juni 1862 begann nach hinreichender Abſtützung
der Fenſter-Pfeiler an den Umfaſſungswänden des Mittelſchif-
fes durch Einſpannen aller Strebebögen die Ausführung des
erſten Kreuzgewölbes im Langſchiffe zunächſt den Weſt-
thürmen über einem Grundriſſe von 41 Fuß Länge und 24.
Fuß Breite, der durch zwei, in einem reich verzierten Schluß-
ſtein zuſammen laufende Gratbogen von 50 Fuß Spannweite
in vier einzelne Gewölbefelder getheilt wird, die mittels Ge-
wölbekappen von 9 Zoll Stärke aus freier Hand, ohne jedes
Lehrgerüſt, zu überſpannen waren.
Als Material für die Wölbungen des Langſchiffes kamen
in Anbetracht der Leichtigkeit und des mit den Hauſteinflächen
harmonirenden Farbentones Tufſteine von 8 Zoll Länge, 6 Zoll
Breite und 4 Zoll Dicke zur Verwendung, die, ſorgfältig be-
hauen, die Herſtellung eines regelmäßigen Steinverbandes ge-
ſtatten.

gründliches Studium voraus, damit der Typus der Malerei
in den Motiven, den figürlichen und ſymboliſirenden Darſtel-
lungen dem Charakter und Jahrhunderte der Architektur voll-
kommen entſprechend ſei. Wir meinen damit aber nicht eine
mechaniſche, todte Nachahmung, die ſelbſt den Kunſtgeſchmack
der betreffenden Periode in den Verſtößen gegen Zeichnung,
Verhältniſſe, Formen und Linien ſclaviſch abkonterfeit. Und
wir müſſen die letztere Thorheit um ſo ſtärker perhorresciren,
als man gegenwärtig in gewiſſen Richtungen auf dem beſten
Wege iſt, uns z. B. die Gothik gerade in ihren Fehlern als
muſtergiltig zu empfehlen. Muß es nicht in dieſer Beziehung ei-
nenrecht wehmüthigen Eindruck machen, daß der geniale Boiſ-
ſerée, der ſo lange vergeblich darnach gerungen hat, bei Deut-
ſchen und Franzoſen für das wahrhaft Schöne, Erhabene und
Tiefe der gothiſchen Kunſtgebilde Verſtändniß und Theilnahme
zu wecken, kurz vor ſeinem Tode in einem Briefe an den Car-
dinal Erzbiſchof von Geiſſel zu Köln es tief beklagte: ,,Man
ſei zunächſt bei den Franzoſen ſchon in den excluſivſten Eifer
gerathen; man möchte es zum Dogma machen, daß kein Heil
für die chriſtliche Kunſt ſei als in der ſtrengen Nachahmung
der ſteifen, abgemagerten, mißgeſtalteten Figuren des 13. Jahrh.
Man vergeſſe, daß die Kunſt die Sinne erheben und veredlen
ſoll, und ſteht auf dem Punkte, ſie zur Abtödtung der Sinne
zu gebrauchen. Falſcher Eifer und die leidige Nachahmungs-
ſucht droht uns in Deutſchland eine der ächten, wahrhaft
katholiſchen Kunſt nachtheilige Verwirrung anzurichten. ''
(Fortſetzung folgt.)

Nach mehrwöchentlichen, durch vielfache verſuchsweiſe Aus-
führungen unterbrochenen Arbeiten gelangte das erſte Kreuzge-
wölbe zum Schluſſe, und konnte nunmehr der durch complicirte
Holzconſtructionen gebildete Lehrbogen unter den Gratbögen in
ſo weit geſenkt werden, daß die circa 1200 Centner ſchwere
Steinmaſſe des ganzen Gewölbes frei über den Gerüſten ſchwebte.
Sorgfältige Unterſuchungen des fertigen Gewölbes in den
nächſten Tagen nach Beſeitigung der Rüſtungen ergaben die
abſolute Standhaftigkeit der Gewölbekappen, und zeigten ſich
nach Abnahme der bis zu 70 Centner während der Wölbungs-
Arbeiten erhöhten Belaſtung des Schlußſteines weder in den
Gewölben ſelbſt, noch auch in den Anſchlüſſen an die Fenſter
und Gurtbögen Riſſe und Trennungen, die auf ein nachträgli-
ches Setzen hätten ſchließen laſſen.
Die Einwölbung der übrigen fünf Kreuzgewölbe des Lang-
ſchiffes erfolgte nunmehr ohne jede Störung und Unfall bis
zum 17. Septemb. v. J, und eigneten ſich die Werkleute ſehr
bald eine ſolche Gewandtheit in der Ausführung der meiſt wind-
ſchiefen Gewölbeflächen an, daß zur Herſtellung des ſechsten
Kreuzgewölbes eine Zeit von neun Tagen genügte.
Die im Laufe des Jahres zu den Wölbungs-Arbeiten ver-
wendete Zahl von Tuffſteinziegeln beträgt im Ganzen circa
50 000 Stück, ſo daß mit Hinzurechnung aller Grat- und
Gurtbögen eine Laſt an nahezu 11,000 Centnern durch gegen-
ſeitige Spannung über dem Grundriſſe des Langſchiffes im
Gleichgewicht gehalten wird.
Die Schwierigkeit bei Ausführung ſo weit geſpannter Kreuz-
gewölbe über einem Raume von nicht quadratiſchem Grundriſſe,
wie ſolche ſeit dem Mittelalter kaum zur Ausführung gelangt
ſein dürften, erforderte vorab den ausdauerndſten Fleiß der Ar-
beiter und die ſorgfältigſte Beaufſichtigung Seiteus der mit
der ſpeciellen Leitung der Arbeiten beauftragten techniſchen Be-
amten des Dombanes, um ſo mehr ein gleichmäßiges Fort-
ſchreiten der Steinmetz-, Maurer- und Zimmer-Arbeiten allein
das Gelingen der Gewölbe ſicherte, und nnr durch eine um-
ſichtige Vertheilung der künſtlichen Belaſtungen ſo bedeutende
Mauermaſſen vor dem Einfügen der Schlußſteine im Gleichge-
wicht zu erhalten waren. Die Ausführung der erwähnten Wöl-
bungs-Arbeiten ohne jeden Unfall gewährt ein lobendes Zeugniß
für die Geſchicklichkeit und die Umſicht der bei der Ausführung
betheiligten Werkleute und Poliere.
Die fertigen Gewölbe bieten nunmehr nach Fortnahme des
Jnterims-Daches dem Beſchaner bei der äußerſt ſorgfältigen
Ausführung, unter Verwendung eines vorzüglichen Materials,
einen ſoliden und der Würde des Gebäudes entſprechenden An-
blick, wie ſolcher bei ähnlichen mit Mörtelputz überzogenen Ge-
wölbeflächen ohne eine reiche Polychromie vergeblich angeſtrebt
ſein würde.
Während die Einfügung der ſechs Kreuzgewölbe im Lang-

JJ. Die nahe bevorſtehende Vollendung der innern Räume
des Kölner Domes.
Die Kölner Dombaublätter bringen in Nr. 215 vom 31. Ja-
nuar 1863 die erfreuliche Nachricht, daß am 15. October d.
J. das Jnnere des majeſtätiſchen Domes vollendet ſein und die-
ſer heißerſehnte Moment durch eine kirchliche Feier verherrlicht
werden ſoll.
Der gegenwärtige Dombaumeiſter Voigtel, der Nachfol-
ger des hochverdienten Zwirner, hat über den Fortſchritt des
Baues nachſtehenden Bericht erſtattet, welcher nicht nur allen
theilnehmenden Freunden dieſes großartigen Werkes viele Be-
friedigung gewähren, ſondern auch den Architekten von Jnter-
eſſe ſein wird. Derſelbe lautet:
Die Vollendung des Langſchiffes am kölner Dome, in der
zweiten Hälfte des verfloſſenen Jahres durch Fortnahme aller
Hülfs- Conſtructionen und proviſoriſchen Abdeckungen zum Ab-
ſchluß gebracht, darf unbedingt als das erfreulichſte und bedeu-
tungsvollſte Ereigniß in der Baugeſchichte des Domes ſeit dem
Jahre 1322, als Erzbiſchof Heinrich v. Virneburg den wäh-
rend 74 Jahren errichteten hohen Chor feierlichſt weihte, be-
trachtet werden.
Alle ferneren Zweifel über das Gelingen des großen Wer-
kes innerhalb der feſtgeſetzten Zeit ſind durch dieſe Thatſache
beſeitigt und alle Hoffnungen der zahlreichen Freunde und För-
derer des Dombaues, geſtützt auf die gewonnenen Reſultate,
von Neuem belebt.
Wenn die ſeit Jahrzehnten als müſtergültig für alle Stein-
metz-Arbeiten erachteten Leiſtungen der Dombau-Werkhütte die
ſtylgemäße Löſung der geſtellten Aufgabe im Bereiche des Hau-
ſteinbaues gewährleiſteten, ſo bot die Bauthätigkeit im verfloſ-
ſenen Jahre in der auszuführenden Ueberwölbung des Lang-
ſchiffes mit Kreuzgewölben von ſo eigenthümlicher Form und ſo
bedeutenden Spannweiten eine Conſtructions-Aufgabe, deren Ge-
lingen zuvor erſt durch genaues Studium der Bauweiſe an den
vorhandenen Chorgewölben und durch mühſames Anlernen kunſt-
geübter Maurer zu ſichern war.
 
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