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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 2.1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.6484#0017
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Chriſtliche

Kunſtblätter

Organ des chriſtlichen Knnſtvereins der Erzdiöceſe reiburg
(Beilage zum Freiburger Kirchenblatt.)

Nro. 17.

Domino diloxi decorem domus tuae. Ps. 25, 8.

Mai 1868.

ſtattete dieſe Sitte ebenfalls. Wie groß die Verehrung der
Reliquien dieſer Zeit war, geht daraus hervor, daß mit den-
ſelben nicht nur feierliche Prozeſfionen gehalten, ſondern die
wichtigſten und heiligſten Handlungen, wie Eide, Verſöhnung
von Feindſchaften, Verkündigung von Geſetzen u. ſ. w. unter
Zeugenſchaft der Heiligen und ihrer Reliqnien vorgenommen
wurden. Man ſtritt ſich bisweilen um den Beſitz der Reliquien
faſt wie um Reiche und Länder. )
Die Reliquienſchreine hatten meiſtens die Form eines
Sarges mit einem Dache, zur Zeit der Gothik auch die einer
dreiſchiffigen Kirche und manchesmal die der betreffenden Glied-
maſſen, des Hauptes, der Arme u. ſ. w.**) Das älteſte Bruſt-
bild iſt das aus dem neunten oder zehnten Jahrhundert ſtam-
mende Bildniß des hl. Candidus zu St. Maurice im Canton
Wallis, eines der ſchönſten das des hl. Oswald zu Hildes-
heim und eines der größten das des hl. Karls des Großen im
Domſchatze zu Aachen aus dem 14. Jahrhundert. Jn Baſel
wird das Bruſtbild des hl. Pantalus, in Freiburg das des hl.
Lambertus (1514 gefaßt) aufbewahrt.
Das Mat erial, welches dazu verwendet wurde war
Gold, Silber, Kupfer, Meſſing, ſehr häufig auch Holz, welches
mit Metallplatten überkleidet, mit Elfenbeinfiguren, Email u.
ſ. w. verziert wurde. Jn dieſer Periode der Altarentwicklung
kommt nun ein bisher ungekanntes Glied zum Vorſchein, nem-
lich das Oberfrontal. Die Entſtehung deſſelben erklärt
ſich aus Folgendem. Man denke ſich hinter dem Altartiſch
einen eigenen Aufbau, auf welchen der Reliquienſchrein geſtellt
iſt von drei Seiten mit einem Eiſengitter umſchloſſen. Die
vordere Seite des Aufbaues bildet zugleich die Rückwand des

* Aeber den Altar, die Ausſtattung der Kirchen,
Kirchenbauten und Reſtaurationen.
1. Ueber den Altarbau
(Fortſetzung.)
Die Confeſſio, der Altartiſch und das Ciborinm
(Baldachin, Ueberdachung) waren, wie wir gehört haben, in
der erſten Periode die Hauptbeſtandtheile des Altars. Um die
Mitte des neunten Jahrhunderts tritt aber mit der Confeſſio
eine Aenderung ein, indem die Reliquien der Heiligen jetzt in
koſtbaren Schreinen oder Särgen (tumba, arca, scrinium)
auf den Altar, d. h. auf einen hinter demſelben ſich erhebenden
Unterbau geſtellt wurden, weßhalb dieſe zweite Periode die
der Altäre mit Reliquien-Schreinen genannt werden kann.
Dieſe Veränderung hatte zur Folge, daß auch die Sitze des
Biſchofs und der Prieſter, die bisher hinter dem Altare im
Halbkreis der Chorapſis angebracht waren, vorwärts gerückt
wurden, und daß der celebrirende Prieſter ſeine Stellung nicht
mehr hinter dem Altare mit dem Angeſichte zum Volke ge-
wendet, ſondern vor demſelben nehmen mußte. Von wo die
Sitte, die Reliquienſchreine hinter oder anf den Altar zu
ſtellen, ausgegangen und was dazu Veranlaſſung gegeben
habe, läßt ſich nicht genau beſtimmen und angeben. Viel-
leicht dürfte ſich die Sache erklären eines Theils aus dem
Aufblühen der Metall-Arbeiterkunſt bei den Byzantinern und
andern Theils aus der kindlichen und großen Verehrung
der Reliquien im Mittelalter. Da nemlich die Reliquien in
koſtbare, zierlich gearbeitete Behältniſſe eingeſchloſſen wurden,
ſo lag der Gedanke nahe, dieſe Schreine mit ihrem heiligen
Jnhalt nicht dem Auge zu verbergen, ſondern ſie als
Schmuck und Zierde der Kirche zu benützen. Früher war es
nicht gebräuchlich, außer den Leuchtern und dem Evangelien-
buch noch etwas Anderes auf den Altar zu ſtellen, jetzt aber
wurde auch die Aufſtellung der Reliquien auf denſelben d. h.
an der Rückſeite geſtattet, wie aus einer Verordnung des Pap-
ſtes Leo JV. hervorgeht, welche beſagt, daß auf den Altar
nichts geſtellt werden ſoll, als das Behältniß mit den Reli-
quien, oder etwa noch die hl. Evangelien und die Büchſe mit
dem Viaticum. Ein Concil von Rheims vom Jahre 867 ge-

) Hier nur ein charakteriſtiſcher Zug aus unſerer Nähe. Die Städte
Kenzingen und Endingen ſtritten ſich um den Leib des hl. Offo. Bei die-
ſem Streite kam das Kloſter Schuttern (Offonszell) in Gefahr, geſtürmt
zu werden, um den Leib Offo's zu rauben. Auf Vermittlung Heinrich's
Markgrafen von Hochberg und Walters von Geroldseck wurde die Sache
1304 gütlich beigelegt: das Kloſter erhielt Schadenerſatz und die Urhe-
ber des Streitesſollten nach ihrem Tode in das Grab Offo's
gelegt werden. Gewiß ein ſalomoniſcher Spruch und ein merkwürdiger
Beleg für die Reliquienverehrung damaliger Zeit!
So hat der Reliquienſchrein der heiligen Martyrer Gervaſius und
Protaſius in Altbreiſach ie Form eines Sarges.
 
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