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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Editor]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 2.1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.6484#0029
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Chriſtliche

Kunſtblätter

Organ des chriſtlichen Kunſtvereins der Erzdiöceſe Freiburg.

(Beilage zum Freiburger Kirchenblatt.)

Nro. 20.

Domine dilexi decorem domus tuae. Ps. 25, 8.

Auguſt 1863.

J* leber die Armenbibeln im Allgememen und über
die der Conſtanzer yceumsbibliothek insbeſondere.

Serenus von Marſeille, der ſich hatte hinreißen laſſen Bilder
zu zerſtören, denſelben mahnend: ndarum werden Gemälde in
den Kirchen verwendet, damit diejenigen, welche die Buch-
ſtaben nicht kennen, wenigſtens durch Anſchauung auf den Wän-
den leſen, was ſie in Büchern nicht leſen können''. Und damit
ſtimmte auch die Erklärung des Biſchofs Theodoſius auf dem
zweiten ökumeniſchen Concile zu Nicäa v. J. 785 überein:
,,Jch ſtimme bei, daß man in den Kirchen das Bild unſeres
Herrn Jeſu Chriſti und der heil. Mutter Gottes ... male.
Gleichfalls male man die Verſammlung der Heiligen und hoch-
ruhmreichen Apoſtel, der Propheten und Märtyrer, auf daß
ihre Streite und Kämpfe in kurzer Ueberſicht dem Volke, na-
mentlich dem einfachen Volke zur Aufmunterung und Be-
lehrung bekannt werden mögen''.
Nach dieſem Geſichtspuncte beſchreibt dann Herr Ruland
die ſtufenweiſe Verwendung der Bilder unter den Chriſten in
folgender Weiſe: ,, So entſtand in urälteſter Zeit der Gebrauch,
die flachen Tempel oder Kirchenwände mit bibliſchen Darſtel-
lungen und Abbildungen der Heiligen zu malen. Von den
Wänden kam man nach Erfindung der Glasmalerei an die
Fenſter der Kirchen und Kreuzgänge, ſo daß jeder Blick, den
der Kirchenbeſucher thut, einem in ſeiner Art belehrenden Bilde
begegnete; daher aber auch der Gebrauch, namentlich die Bi-
beln mit Bildern zu ſchmücken, und endlich die Bibel im
Aus zuge blos in Bildern zu geben; ſowie religiöſen
Gegenſtänden, die man dem Verſtändniſſe und dem Herzen der
Gläubigen nahe legen wollte, beſondere Bilderbücher zu wid-
men, die Bedeutung der Bilder aber oft nur mit einem ein-
zigen Satze, ja nur mit Einem Worte zu geben. So fertigte
man Handſchriften, aus denen ſpäter xylographiſche Nachbil-
dungen gefertigt wurden, welche wirkliches Volkseigenthum oder
Volksbücher wurden. Und dieſe Holzſchnitte wurden die un-
mittelbaren Vorläufer ſowie die erſten Begleiter der Buch-
druckerkunſt, welche im 15. Jahrhundert erfunden, ſich jetzt
auf Schriften warf, die vorzugsweiſe für Volksbelehrung die-
nen ſollten und dienen konnten ·. Ja es iſt behauptet worden,
daß die Holzſchnitte der Armenbibeln mit noch größerem Rechte
die Brücke und den Uebergang zum Schriftdrucke bildeten als
die Spielkarten. Das Verſetzen kleinerer Textſätze und bild-
licher Darſtellungen auf einem und demſelben Blatte Papier
mußte bald auf das Verſetzen der einzelnen Buchſtaben führen.

Unter Armenbibeln, biblia pauperum, verſteht man
eine bildliche Darſtellung der Hauptbegebenheiten unſerer Er-
löſung nach den Mittheilungen des neuen Teſtamentes mit
den Vorbildern im alten Bunde, die durch beigefügte bibliſche
Sprüche und kurze Erläuterungen in lateiniſcher und der Lan-
desſprache noch mehr verſinnlicht werden. Dieſe Bilder waren
zur Belehrung des Volkes und zu Hauptleitfäden beim religiöſen
Unterrichte beſtimmt, überhaupt dazu gemacht, damit diejenigen
welche ſich ein im Mittelalter ſehr koſtbares Manuſcript von
der Bibel nicht anſchaffen konnten, mit geringen Koſten einen
Begriff von der Bibel und deren Jnhalte bekämen. Gegen-
wärtig freilich ſind dieſe Armenbibeln nur noch als große Koſt-
barkeiten in einzelnen Bibliotheken zu finden und werden faſt
mit Gold aufgewogen, ſo daß dasjenige, was einſt der Armuth
angehörte, heute nur noch von den Reichen erworben werden kann.
Wir glauben darum unſern Leſern etwas Angenehmes zu
erweiſen, wenn wir über die Anfänge, die weitere Entwickelung
und die Bedeutung ſolcher Armenbibeln für ihre Zeit in Nach-
ſtehendem einige Mittheilungen machen, und zu noch beſſerer
Veranſchaulichung eine lithographirte Abbildung bieten.
Sicher hängt die Entſtehung ſolcher Bibeln mit der Ge-
ſchichte der bildlichen Darſtellungen in den chriſtlichen Kirchen
zuſammen, und iſt auch der als Kenner der Literatur und Kunſt
ſehr geſchätzte Herr Oberbibliothekar Dr. Ruland zu Würz-
burg in ſeinen trefflichen Erörterungen ,,zur Geſchichte bildſi-
cher Darſtellungen als Hilfsmittel der religiöſen Volksbildung''
(C hilianeum Nro. 2 und 3 v. J. 1862) davon ausgegan-
gen. Der Erfahrungsſatz, daß bildliche Darſtellungen ſich dem
Beſchauer tief einprägen, führte ſchon in der älteſten Zeit des
Beſtehens der chriſtlichen Kirche dahin, dieſelben nicht nur zur
Belebung des religiöſen Sinnes ſondern auch als Mittel re-
ligiöſen Unterrichtes zu benützen. Und beiden Zwecken dienten
wohl bereits die bildlichen Darſtellungen in den Katakomben,
den älteſten bekannten Gebäuden zu kirchlichen Verſammlungen,
aus dem neuen wie aus dem alten Teſtamente (vgl. Nro. 11
der chriſtlichen Kunſtblätter).
Sehr beſtimmt und klar betonte den letztern Zweck in der
Folge P. Gregor d. Gr. in ſeinem Schreiben an den Biſchof
 
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