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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 2.1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.6484#0005
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Chriſtliche

Kunſtblätter

Organ des chriſtlichen Kunſtvereins der Erzdiöceſe Freiburg
(Beilage zum Freiburger Kirchenblatt.)

Nro. 14.

Domine dilexi decorem domus tuae. Ps. 25, 8.

Februar 1868.

J. * leber die Polychromie
(Fortſetzung.)

Herz des Frommgläubigen nach dem Orte der Kirche zu len-
ken, wo ihre unerforſchlichen Geheimniſſe zur Wahrheit werden
im heiligen, unblutigen Opfer.
Wir wollen verſuchen, das Ganze zu ſchildern in ſeinem
Jdeenreichthume, wenn es auch eine Unmöglichkeit, die Cha-
rakterſchönheit, den Ausdruck der einzelnen Geſtalten, die Ge-
ſammtwirkung des Kunſtwerkes dem Leſer durch das Wort le-
bendig vor dem Seelenauge erſtehen zu laſſen.
Zwei koloſſale Geſtalten ſehen wir in den Zwickeln des
Bogens, welcher nach dem Langhauſe die Kreuzvierung ab-
ſchließt, links Moiſes und rechts König David, die im al-
ten Bunde ſchon den Meſſias verkündeten: Moiſes, eine Figur
voll des Ernſtes der Majeſtät, hältin der Rechten die Geſetz-
tafeln, während die Linke nach oben hindeutet, mit dem Spruch-
bande: ,, Prophetam. sicut. me. suscitabit. Dominus.'' Das
Spruchband der gegenüberſtehenden Figur: ,,Tu. es. sacerdos.
in. aeternum. secundum. ordinem. Melchisedech.'' erklärt
die Bedeutung David's an dieſer Stelle, deſſen Linke ein Sai-
tenſpiel trägt, während er die Rechte gleichſam opfernd aus-
ſtreckt. Beide Geſtalten ſind in den Linien ernſt, aber form-
ſchön gehalten, kräftig in der Farbengebung, ohne farbenan-
maßend zu ſein.
Jm Chore ſelbſt hat der Maler die Darſtellung der Haupt-
momente aus dem Leben des Heilandes, wie uns die Evange-
liſten dieſelben verkündet, zum Vorwurfe des Bildſchmuckes ge-
wählt, auf welche die Geſtalten Moiſes' und David's allegoriſch
hindeuten. Auf der linken Wand beginnt der Bilder-Cyelus
mit der Verkündigung in dem Bogen, welcher dadurch enſtan-
den, daß der Baumeiſter May beim Anfange der Reſtauration
zwei Bogen mit einem Bogen überſtellte. Streng ſtyliſirt,
links der Engel und rechts die heilige Jungfrau aufrechtſtehend,
zwiſchen beiden blüht die Lilie, über welcher der heilige Geiſt
in Taubengeſtalt zur Jungfrau hinüberſchwebt. Ein reiches
Roſenornament in romaniſchem Style umblüht die Gruppe.
Ueber dem Bogenſchluſſe iſt die Anbetung der heiligen drei
Könige dargeſtellt: geboren iſt der Heiland. Links ſteigt ein
Engel zum Himmel mit dem Spruche: Gloria. in. excelsis.
Deo.'' und ihm gegenüber ſchwebt über der Erde eine Engel-
figur mit dem Spruchbande: ,,Et. in. terra. pax. howini-

Jn neueſter Zeit hat beſonders der kölner Maler Michael
Welter vollgiltige Proben ſeiner Kunſttüchtigkeit in der Po-
lychromie, zumal im romaniſchen Typus der Malerei des 12.
Jahrh., abgelegt, zunächſt in der Ausſchmückung des Chores
der St. Cunibertkirche ſeiner Vaterſtadt und im Banketſaale,
wie in den Kemenaten der Wartburg bei Eiſenach, worin
Deutſchland unſtreitig die ſchönſten derartigen Ausſchmückun-
gen beſitzt. Gegenwärtig iſt er damit beſchäftigt, die durch
Munifizenz der hannover'ſchen Regierung ſtylgerecht und pracht-
voll reſtaurirte St. Godehardikirche in Hildesheim, viel-
leicht die ſchönſte Baſilika Deutſchlands, polhchromiſch zu
ſchmücken, was er nach zuverläſſigen Nachrichten in Kurzem
beenden wird. Und hier beſonders ſoll Welter nach dem Ur-
theile des in der chriſtlichen Kunſt erfahrenen und geſchätzten
Kritikers Ernſt Weyden ſeine Virtuoſität in treuer aber le-
bendiger Auffaſſung der chriſtlich romaniſchen Malererei ge-
zeigt haben, indem er das Charakteriſtiſche derſelben: die Kind-
lichkeit, fromme Naivität der Auffaſſuug und die Anſpruchs-
loſigkeit der Farbengebung in überraſchender Weiſe zu repro-
duziren verſtand. Wir können es uns nicht verſagen, den Be-
richt des genannten Kunſtkritikers über die Löſung der letztern
Aufgabe aus dem ,,Kölner Organe für chriſtliche Kunſt
Nro. 23. vom 1. Dez. 1862'' unſern Leſern in Nachſtehen-
dem mitzutheilen.
,Der inneren Ausſchmückung der St. Godehardikirche legte
Maler Welter ſowohl in den figürlichen Darſtellungen als in
der Ornamentation eine Jdee zum Grunde, die er mit künſt-
leriſcher Strenge durchzuführen wußte, und in deren Farben-
gebung, die Hauptpracht auf dem Chorbau concentrirend, der
Künſtler ſinnig dem Worte des Propheten Ezechiel folgte:
, Gleichwie der Regenbogen, wenn er an einem Regentage auf
den Wolken ſteht, alſo war rings herum der Glanz anzuſehen,''
ohne aber bei allem Glanze der Malerei, der Farbenharmonie
im Mindeſten Abbruch zu thun.
Dem Chorbau und dem Allerheiligſten gab der Künſtler
den farbenprächtigſten Bildſchmuck, um gleichſam Auge und
 
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